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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Lahn und die Wisacha müssen uns schadlos halten. Eure gewaltigen Brandungen kennen wir nicht. Doch, daß ich's gestehe: hundert Schritte nur von meinem Gehöft strömt die Wisacha über steiles Geröll so schroff in die Tiefe hinab, daß ihr Gebrause schier an den Wellenschlag des Tyrrhenischen Meeres erinnert. ›Den Guß‹ oder ›die Gießen‹ nennt man diesen Strudel im Volke, und mein Edelsitz heißt danach die Burg an den Gießen.«
    Eine Weile noch plauderte so der Cäsar mit dem bärtigen Chattenführer, als ob der Beherrscher des Römerreichs nahezu willens sei, demnächst während der Sommermonde in den Wäldern der Logana als Gast zu erscheinen. Dabei warf er indes ab und zu einen Blick nach Seneca, der dann jedesmal kaum bemerklich die Lippen regte: ›Du hast noch Zeit, Herr.‹
    Endlich stieg Lollarius vom Podium hernieder und holte die drei vornehmsten Männer seiner Gefolgschaft heran.
    Einer derselben, der goldhaarige, wangenblühende Heilo, war beauftragt, dem Kaiser ein stattliches Ehrengeschenk anzukündigen: zwölf lebende Auerochsen, die man in eigens dazu hergerichteten Wagen auf der großen linksrheinischen Heerstraße bis nach Vesontio und von dort nach Massilia gebracht hatte, wo sie nach Ostia eingeschifft wurden.
    Das Schiff mit den Ungeheuern, die für die kaiserliche Arena bestimmt waren, lag jetzt am aventinischen Hügel vor Anker, und Heilo ersuchte den Imperator, sobald es ihm gut dünke, die Freundschaftsgabe des chattischen Volks in Empfang zu nehmen.
    Nero dankte, hieß, da Seneca immer noch gleichmütig dastand, auch die übrigen Teilnehmer der Deputation vortreten, redete eifrig mit jedem einzelnen und erhob dann die Rechte.
    Zwölf scharlachrot gekleidete Hofbedienstete schritten auf diesen Wink hin aus dem Säulengange hervor und überreichten jedem der zwölf Gesandten als Gegengabe des Imperators ein kostbares Schwert mit Goldgriff und in glänzender Goldscheide.
    Die Senatoren, die anfangs über die gar zu leutselige Art des Kaisers heimlich gemurrt hatten, hielten es dennoch für angebracht, in die Beifallsrufe miteinzustimmen, die jetzt Flavius Scevinus, Barea Soranus, Thrasea Pätus und andre Genossen der hohen Körperschaft in wohlberechneter Absicht erschallen ließen. Einige ausgesprochene Anhänger der Kaiserin-Mutter indes konnten sich kaum noch beherrschen. Mit jeder Minute malte sich deutlicher in ihren verblüfften Gesichtern die ungeduldige Frage: ›Wo bleibt Agrippina? Weshalb nimmt sie nicht Platz an der Seite des Sohnes, den sie zum Kaiser gemacht hat?‹
    Agrippina befand sich noch immer auf der hallenden Landstraße in ihrer breitüberdeckten Carruca.
    Der Staatsminister hatte ›ordnungsgemäß‹ bei ihr angefragt, wann der Empfang der Chattendeputation stattfinden solle, – und die entsprechende Antwort erhalten.
    Agrippina hatte die Zeit für die Wagenfahrt reichlich bemessen.
    War es die Schuld nun etwa des Seneca, wenn ihm der Kaiser ›plötzlich befahl‹, just eine halbe Stunde früher die Zeremonie anzuberaumen, als Agrippina gewünscht hatte . . .?
    Arglos lehnte sie an der Seite ihrer Vertrauten, der meergrünäugigen Pantherin Acerronia, und scherzte darüber, wie außerordentlich leicht es sei, einem störrisch gewordenen Knaben wieder die Zügel zu straffen.
    Sie glaubte sich völlig Herrin der Situation.
    Sie pries im stillen ihre bedeutende Staatsklugheit, die nun der Zufall so meisterhaft unterstützte . . .
    Ja, ja, diese Acte hätte den Herrschergelüsten der Kaiserin-Mutter gefährlich werden, sie hätte im fortgesetzten Verkehre mit Nero allgemach einen Standpunkt der Einsicht erklimmen können, der ihr gezeigt hätte, wie wenig Wissen dazu gehört, um ein Weltreich zu lenken. Jener phantastische Liebesrausch war ja doch nur das Vorspiel. Nach einigen Monaten wären ihr andre Empfindungen, andre Wünsche und Hoffnungen in der Seele gereift . . . Wenn diese Acte zum Beispiel dem Kaiser ein Kind, einen Knaben geschenkt hätte! Welch ein gewaltiger Sporn für die Mutter, nach Einfluß, ja nach der Herrschaft zu streben! . . . Nein, das Schicksal hatte hier einen Geniestreich begangen: Agrippina durfte zufrieden sein.
    Ein huldvolles Lächeln schwebte auf ihren Lippen.
    »Nun, Acerronia?« fragte sie nach Beendigung dieses schönen Gedankengangs. »Du scheinst ja heute so kühl und so gleichmütig? Nicht ein einziges Mal hast du zum Wagenfenster hinausgeschaut, während doch Pharax, der stattliche Pharax, in eigener Person

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