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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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ihr bis dahin teuer gewesen, grimmig verabscheuen, sie hätte ihr Dasein verleugnen, ihr ganzes Ich von Grund aus zerstören müssen.
    Nein, sie bereute nicht!
    Und so gab es wohl auch für die Unbußfertige keine Rettung aus dieser gräßlichen Todesnot.
    Acte schauderte. Dann überkam sie's – heimlich und rätselhaft – wie eine wundersame Erinnerung.
    Hatte sie einst nicht andre Götter gekannt, milder noch und menschlicher im Denken und Fühlen, als die Gottheit der Nazarener?
    Hatte ihr Auge nicht in den ersten Tagen der Kindheit sich gläubig emporgerichtet zum Throne der goldenen Aphrodite?
    Aphrodite war dem Abgrund des Meeres entstiegen. Sie kannte also dies tosende Element. Sie würde den Sturm, der es aufwühlte, huldreich beschwichtigen, wenn Acte sie gläubigen Herzens anflehte, Acte, die Sehnsuchtsvolle: denn Liebe fühlen hieß ja, voll Andacht auf den Altären der Göttin opfern, und weltvergessende Küsse, ach, Küsse, wie sie den Lippen Neros entblühten, waren in
ihren
Augen kein Greuel, sondern ein gutes Werk, und ihrer Gottheit ein Wohlgefallen.
    Als Acte gewahrte, wie stürmisch dieser Nachklang aus ihrer Kindheit sie heimsuchte, bebte sie in verdreifachtem Schauer. Die strahlenden Zinnen Korinths stiegen vor ihrem geistigen Auge empor; sie hörte die wuchtigen Mahnworte des großen Apostels, sie erblickte sein ernstes, gewaltiges Antlitz und die ehrfurchtstarre Versammlung der Gläubigen . . . Das war damals gewesen, wie sie mit Nicodemus drei Monate lang am Isthmus Wohnung genommen und eben die Taufe empfangen hatte. Die Donnerstimme des warnenden Paulus war ihr ins Herz gedrungen, wie die Posaunenstöße des jüngsten Gerichts. Ewiges Unheil, höllische Qual und Verdammnis war das Los der Verworfenen, die, einmal von der Gnade des Herrn erfüllt, in die Netze des abgeschworenen Mißglaubens wieder zurückfielen.
    »Du einziger und wahrhaftiger Gott, vergieb mir die Todsünde!« stöhnte die Dulderin. »Rette, o rette mich um deines geliebten Sohnes willen! Amen!«
    Alles umsonst!
    Ringsher die trostlos tobende Oede, die tausend Schlünde, die mordbegierig emporgähnten – und kein Schimmer des Heils, keine unsterbliche Hand, die sich der Elenden hilfreich entgegenstreckte . . . Die alten Götter hatten die Macht verloren; sie waren nur Schatten, sinnlose Wahngebilde. Der wahrhaftige Gott aber, der den Heiland zur Erde gesandt, stieß die Verbrecherin mitleidslos in den Abgrund.
    »Nero, in deiner Liebe leid' ich den Tod,« hauchte Acte noch einmal mit gebrochener Stimme . . .
    Nun fühlte sie, wie sie sank. Ihre Augen umschattete eine blaugrüne Dämmerung; in den Ohren gurgelte ihr die chaotische Flut; phantastische Ungeheuer, von aschfahlen Blitzen umzuckt, schwirrten und sausten um sie herum. Dann ward es still . . . Nur die Wogen trieben ihr einförmiges Spiel über der Tiefe, und hoch oben, im blendenden Sonnenglanz wiegte sich eine bänglich klagende Möwe . . .
    Als Acte wieder die Augen ausschlug, befand sie sich in einem kostbar ausgestatteten Schlafgemach.
    Ein weicher, mit cordubanischem Linnen bedeckter Pfühl stützte ihr das fieberglühende Haupt.
    Die Decken der Lagerstatt waren von feinster tarentinischer Purpurwolle, mit Gold durchwirkt.
    Links neben der Kranken kniete ein halbwüchsiges Mädchen, eben damit beschäftigt, ihr die schlaff herniederhängende Hand mit duftigen Essenzen zu waschen.
    Eine ältere Frau, strengen Gesichts, aber dennoch sympathisch in dieser Strenge, legte ihr, von rechts sich herüberneigend, ein breites, in Schneewasser getauchtes Tuch über die Stirne.
    Am unteren Bettrande aber stand, wie aus Marmor gemeißelt, ein bleiches, jugendlich schönes Weib mit sanften rehbraunen Augen, die leise zusammenzuckten, als sie dem forschenden Blicke Actes begegneten.
    »Wo bin ich?« fragte die Freigelassene des Nicodemus.
    »Bei Leuten, die es gut mit dir meinen,« versetzte die Alte, mit der runzeligen Hand die Kompresse glättend.
    »O, das ist ein unendliches Glück!«
    »Freilich, du armes Ding!«
    »Und wie komm' ich hierher?«
    »Durch die Hilfe der Götter und die eines menschenfreundlichen Schiffers,« sagte die Alte.
    »Aber ich sank doch . . . tief, immer tiefer . . . und es war mir, als sei alles vorüber . . .«
    »So mochte dir's scheinen. Auch der brave Abyssus, der dich den Wellen entriß, glaubte im Anfang, jede Mühe sei hier verloren.«
    »Abyssus? Niemals habe ich diesen Namen gehört.«
    »Er ist ein Aegypter

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