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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Imperator stieg jetzt wieder die Stufen hinauf und ließ sich langsam unter dem Baldachin nieder, während zwei Sklaven, die Blicke des Staatsministers verstehend, einen Goldsessel zum Podium hinantrugen.
    »Ich begreife das,« sagte der Kaiser wohlwollend. »Inzwischen bitte ich dich, auf diesem Stuhle hier Platz zu nehmen. Es ziemt sich nicht, daß man Gesandte, die dem Völkerrecht wie dem Gastrecht gleichmäßig heilig sind, länger stehen läßt, als die Begrüßung währt.«
    Lollarius zögerte einen Augenblick. Dann stieg er ruhigen und selbstbewußten Schrittes das Podium hinan, als sei es den Stammesgenossen des Mannes für spätere Jahrhunderte vorbehalten, sich im Kaiserpalaste heimisch zu fühlen, wie jetzt der hochgebietende Imperator.
    »Lollarius,« hob Nero wiederum an, da sich der Chatte gesetzt hatte, – »du siehst es: unsre bloße Begegnung hat ausgereicht, um die Sache, über die wir verhandeln wollten, ins reine zu bringen. Kein Römer, solange nicht offener und ehrlicher Krieg zwischen uns herrscht, soll hinfürder eure Landschaft in ungebührlicher Absicht betreten dürfen. Das gleiche versprecht ihr uns. Auch im übrigen halten wir freundliche Nachbarschaft. Eure Leute verkaufen uns die Erträgnisse der Jagd und des Fischfangs, die herrlichen Tierfelle, das köstliche Wild und die Lachse der Logana. Von uns bezieht ihr die kunstvollen Werkzeuge, die tarentinischen Wollstoffe, die milchweißen Gewänder für eure Frauen und Jungfrauen, die Gürtel und Spangen, vor allem aber die Gabe des unsterblichen Bacchus. Denn, wie ich höre, da droben bei euch will die herzerquickende Rebe nicht recht gedeihen; ihr behelft euch mit einem sonderbaren Gebräu von Weizen und Gerste, das ihr – ein wahres Wunder – zu einer gewissen Aehnlichkeit mit unserm italischen Weine herankünstelt.«
    »Herr,« versetzte Lollarius, und strich sich schmunzelnd über den breiten, graugesprenkelten Bart, – »unsrer Getränke gibt's zwei: ein süßeres und ein herberes. Das erste nennen wir Met, das zweite Bier, – und wahrlich, wenn die Metpokale so kreisen, oder gar die gewaltigen Bierhörner, und ein kriegerischer Gesang ertönt in der Runde, und die Hirschkeule oder der Bärenschinken liefert uns die saftigen Scheiben, dann möchtest auch du, o Cäsar, uneingedenk des römischen Prunkes, bekennen, daß wir Germanen zu leben wissen.«
    »Daran zweifle ich nicht,« erwiderte Nero. »Jegliche Gepflogenheit ist berechtigt, jegliche Art und Sitte hat ihre Vorzüge. – Also wir stehen nun am Ziele. Hier meine Hand! Friede und Freundschaft! Nur der Form halber soll mein Geheimschreiber Epaphroditus einen Staatsvertrag abfassen, – nicht, weil ein Zweifel bestünde, sondern zur Einverleibung in die Archive. Denn auch ihr besitzt wohl Amtsgebäude oder Heiligtümer der Götter, wo ihr gewichtige Aktenstücke verwahren laßt.«
    »Unsre Priester und Edelinge sind des Schreibens nicht unkundig,« sagte Lollarius. »Auch wird es den Chatten genehm sein, die Freundschaftsworte des Kaisers auf kräftigem Pergament zu besitzen. Es gibt Leute bei uns, denen man solcherlei Dinge gelegentlich wiederholen muß.«
    »Morgen noch empfängst du die Urkunden zur Unterzeichnung,« versetzte der Imperator. »Nun aber, nachdem das alles erledigt ist, erzähle mir doch, ich bitte dich, einiges von dir und deinen Genossen. Wer sind die Männer, die dich begleiten? Du könntest sie wohl heranführen.«
    Lollarius erhob sich.
    Der Kaiser hielt ihn zurück.
    »Zuvörderst du,« sagte er huldvoll. »Du heißest Lollarius. Der Name klingt ja beinah lateinisch?«
    »Er ist nach lateinischer Weise umgebildet – für euch; dieweil ihr die rauheren Laute des Nordens minder beherrschen würdet. Ich heiße in germanischer Sprache Lautharto, das ist verdolmetscht: ›das große Herz‹. Mein Edelsitz erhebt sich am Ufer der Lahn, die ihr Logana nennt, unweit der Stelle, wo die reißende Wisacha in den Fluß mündet. Weiterhin erhebt sich der waldüberkleidete Vogelsberg, so genannt um seiner unzähligen Urhähne willen, deren Balzen wie das wunderbare Gekreische der Wotansraben durch den dämmernden Forst klingt. O, es ist ein herrliches Land, unser Chattenland!«
    »Seltsam,« erwiderte Nero. »Wir Römer lieben weder die Bergwälder noch die Felsengeklüfte. Uns verlangt es nach lieblich blühenden Auen, nach Lorbeerhainen, vornehmlich aber nach dem Gestade des Meeres. Du hast kein Meer, selbst keinen See in der Nähe?«
    »Nein, Imperator. Die

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