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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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grundsätzlich keine Schwimmer.
    Das junge Mädchen allein harrte aus. Ihre geschmeidigen Glieder, die es gewohnt waren, halbe Stunden lang von dem wallenden Element sich tragen zu lassen, brauchten nur eine mäßige Anstrengung, um jetzt mit Hilfe der Planke den Kopf über Wasser zu halten. Eine Vorwärtsbewegung versuchte sie nicht; der Gedanke, auf eine so große Entfernung die Küste erreichen zu wollen, wäre ein Wahnsinn gewesen. Ein Fischerkahn mußte ihrer gewahr werden oder ein Lastschiff: das war die einzige Möglichkeit einer Rettung. Deshalb hieß es: die Kräfte gespart und den Mut nicht verloren, und die kluge, kühle Besonnenheit . . .
    Mit unglaublicher Energie rang ihre zagende Seele wider die Anwandlungen der Furcht, die ihr mehr und mehr das pochende Herz zu ersticken drohte.
    Sie sprach sich vor, es sei ja nicht denkbar, daß ihr glückseliger Liebestraum ein so schreckliches Ende nehme. Sie suchte sich das himmlische Selbstvertrauen, wie sie's dem Pallas gegenüber bekundet hatte, wieder zurückzurufen, und sich einzureden, die Liebe Neros wehe als schirmender Odem auch über die endlose Wasserwüste.
    Alles vergeblich. Trotz der heiligen Glut ihres Empfindens mußte sie voll begreifen, daß ihre Lage eine verzweifelte war.
    Der Frühwind hatte inzwischen die Fluten, so weit der Blick reichte, mit weißen Kämmen besät. Von einem Schiff aus konnte die Unglückliche nur noch entdeckt werden, falls dasselbe ganz in der Nähe vorbeikam: denn ihr bleiches Gesicht, ihr helles Gewand und ihr glänzendes Haupthaar mischten sich mit dem schneeigen Schaumgewirbel zu einem unentwirrbaren Ganzen.
    Auf und nieder, auf und nieder, mit der Regelmäßigkeit gewaltiger Atemzüge ging dies Wogen der überstürzenden Wasser. Jetzt sah sich Acte auf der strudelnden Höhe; jetzt strömte sie, willenlos und gleichsam ein Teil der beweglichen Flut geworden, in die schwarzblaue Senkung hinab, um ebenso wieder emporzusteigen.
    Das Rauschen und Brausen übertäubte nun ganz und gar ihren oft wiederholten Hilferuf. Die sonst so herrliche Stimme scholl matt und ohne Metall. Oder war es die immer wachsende Todesfurcht, die ihr den süßen, silbernen Klang benahm . . .?
    Drüben am westlichen Himmelsrand zogen die riesigen Kauffahrteischiffe, die nach Panormus steuerten, bleich wie fliehende Dunstgebilde vorüber: keines jedoch lenkte den Kurs nach der Unglücksstelle. Die Fischerboote von Antium wagten sich bei dieser bedenklichen Brise nicht so weit in die See hinaus. Was von Gallien oder Hispanien nach Ostia ging, kreuzte mehr nordwärts.
    Wo sollte die zitternde Angst hier Umschau halten?
    Stärker und stärker sauste der Wind, – und höher und höher bäumten sich die mähnenumflatterten Rosse Neptuns. Eine Sturzwelle nach der andern überströmte die zagende Schwimmerin; aus dem Stirnhaar troff ihr fast unablässig ein rieselnder Guß über das fahle Gesicht, so daß sie die thränenden Augen kaum noch zu öffnen vermochte.
    In dieser Herzenspein wandte sie sich zu dem allmächtigen Gott, den fern im Lande Judäa der Zimmermannssohn von Nazarath dem Volke verkündigt hatte. Voll stummer Inbrunst flehte sie um Errettung. Sie bot ihr zuckendes Herz dem Erlöser als Opfer an. »Nimm alles dahin,« stöhnte sie qualdurchschauert. »Mein ganzes Leben soll fürderhin dem Glauben geweiht sein; wandern will ich von Stadt zu Stadt, von Weiler zu Weiler, wie die frommen Apostel, um deine Lehre hinauszutragen bis zu dem ewigen Eise der Goten und Skandier . . .«
    Und siehe da, der Heiland der Welt schien ihr gnädig zu lächeln. Neue Kraft durchströmte die ersterbende Seele, – die Kraft der Hoffnung.
    Da plötzlich trat die zauberhafte Gestalt des Jünglings, der sie gestern noch so wonnesam in den Armen gewiegt hatte, leuchtend wie ein nächtliches Meteor zwischen sie und den sanften, gütigen Galiläer.
    Die Züge des Welterlösers wurden ernster und strenger, bis er sich endlich ganz und gar von ihr abkehrte . . .
    Nein, sie konnte nicht beten. Was sie gethan hatte, war ja Todsünde vor dem Gotte der Christen. Sie war eine Abtrünnige, eine Verräterin.
    Wohl hatte der Presbyter gar manchmal von der Gnade des allbarmherzigen Gottes erzählt, und wie er den Sünder freudig wiederum aufnehme in die Gemeinschaft der Heiligen, dafern sich in der Brust des Verlorenen die echte, lichtverlangende Reue, das Weh um die lastende Schuld rege.
    Aber ach, sie bereute ja nicht!
    Um Reue zu fühlen, hätte sie alles, was

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