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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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ekstatischen Stimmen derer, die, ihres Glaubens erfüllt, alle irdische Qual überwanden und freudig den Welterlöser und Gottes unendliche Gnade priesen.
    »Rasende Flammen, verzehrt meinen gebrechlichen Leib,« klang es vom Munde eines fünfzehnjährigen Mädchens; – »meine Seele wird aus der Asche emporsteigen in die Höhen des Lichts! Hallelujah!«
    Auch Nicodemus, den der Wurf mit dem schweren Metallbecher halb schon betäubt hatte, raffte sich noch einmal empor: »Hört's, ihr Verblendeten!« rief er mit weithin schallender Stimme. »Hier, in der Glut, die mir das Mark zerfrißt, bekenne ich's als ein geringer Zeuge seiner unendlichen Herrlichkeit: der Gott Jesu Christi ist der einzige wahre Gott, und alles Heil kömmt von ihm! Vater im Himmel, o erbarme dich meiner! Ich bereue von ganzem Herzen und von ganzem Gemüt! Amen!«
    Ein leichter Windstoß trieb die Flammen zur Seite. Artemidorus schaute zum letztenmal die Rhodierin Chloris, wie ihr der halbberauschte Agrigentiner den Nacken liebkoste und die blühende Kehle . . .
    »Chloris!« schrie er, den Kopf wie in epileptischen Krämpfen zurückwerfend, – »Chloris!«
    Sein Angstruf gellte so laut, daß er, allen Lärm übertönend, bis hinaus zu den fernsten Sitzen des jauchzenden Pöbels drang.
    »Chloris!« scholl es noch einmal aus der kräuselnden Lohe, die jetzt wieder senkrecht zum Himmel stieg. »Weh mir, ich sterbe!«
    »Gelobt sei Jesus, der Sieger über Hölle und Tod!« murmelte Nicodemus. Dann verstummte auch er.
    Ringsum brannten die Pflöcke langsam herab. Große Blutlachen sickerten allgemach in den Boden; denn die Werghülle hatte nicht ausgereicht, dieses Blut zu verdampfen. Den angebrannten Adern reichlich entströmend, hatte es mit den prasselnden Flammen gekämpft und die untere Hälfte des ›Qualgewandes‹ vielfach gelöscht. Hier und da knickte ein Pfahl zusammen und riß einen halbverstümmelten Menschenleib mit herab. Ein Brandgeruch erfüllte die Luft, schal, widerlich, als hätten die Priester an hundert Altären dem Pluto geopfert.
    Da, beim Klang der allbeliebten gaditanischen Melodie ›Schwellet, ihr Rosen . . .‹ entflammten sich, wie durch Zauberhand, die übrigen Leuchten des Festplatzes, – und nun hub in den Gärten des Nero ein Treiben an, das selbst in den Lasterannalen des cäsarischen Rom nicht seinesgleichen hatte.
    Claudius Nero und seine ganze Gefolgschaft wälzten sich, sinnlos vor Trunkenheit, im Pfuhl der unerhörtesten Ausschweifung. Das Fest am See des Agrippa war eine harmlose Kinderei gewesen im Vergleich mit diesem bübisch-frechen Astartekultus. Frauen und Mädchen aus den edelsten Häusern waren auf Befehl des Agrigentiners gewaltsam herbeigeschleppt worden. Ihrem Willen zum Trotz, mußten sie sich an jeder Zuchtlosigkeit beteiligen. Knirschend in öder Ohnmacht standen die Väter, Gatten und Brüder der Mißhandelten abseits, und verliehen durch ihre Gegenwart dem bestialischen Taumel des Pöbels die Würze eines hohnerfüllten Triumphs. Denn nicht einer von diesen entehrten Römern wagte es, den übermütigen Festordner bei der Gurgel zu packen. Die Schwerter der Prätorianer klirrten zu drohend und zu verständlich. Auch hatte der Agrigentiner solche Familien, deren Oberhäupter einer männlich-verzweifelten That fähig gewesen wären, klüglich vermieden. Viele der edlen Römerinnen, die so vergeblich auf ihre Rächer harrten, gaben sich selbst den Tod; andre verfielen in Wahnsinn; gar manche jedoch wurden aus scheinbaren Opfern zu ekelerregenden Teilnehmerinnen, die jauchzend den Becher schwangen und so das Werk des Cäsars, die mörderische Vertilgung der Sitte und der letzten heiligen Scheu, ruchlos vollenden halfen.
    Rom – erst eben durch die Wut des rasenden Elementes vernichtet – war, so schien es, hier zum zweitenmal, und fürchterlicher, zerstört worden.
     
     

Dreizehntes Kapitel
     
    Ein Jahr verstrich, und wieder kam die tropische Glut des Hochsommers und der schreckliche Tag, an welchem die Einäscherung der Weltstadt begonnen hatte.
    Ganze Regionen waren inzwischen schöner und glänzender als zuvor aus den Trümmern entstanden.
    Breite, regelmäßige Straßen, rechts und links mit Kolonnaden versehen, hatten die Gassen und Gäßchen vieler winkliger und übelberufener Quartiere von einst ersetzt.
    Der Brandschutt war auf riesigen Lastschiffen stromabwärts bis nach Ostia geführt worden, um die sumpfigen Niederungen in der Nähe der Hafenstadt ausfüllen zu

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