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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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vor Gott dem Allgütigen!«
    Trotzig hob er das Haupt.
    »Claudius Nero Cäsar,« rief er mit Donnerstimme, »hast du den Mut, ein letztes Wort von den halb schon erstorbenen Lippen des Nicodemus zu hören?«
    Dem dröhnenden Anruf des Märtyrers folgte eine etwas beklommene Stille. Die Prätorianer blickten auf ihren Gebieter, als ob sie der Weisung gewärtigten: ›Stoßt ihm das Schwert in die Brust!‹
    Nero jedoch, sich aufrichtend, sagte höhnisch: »Rede, mein Freund, aber beeile dich!«
    »Nero,« hub Nicodemus wiederum an, »ich weiß, von dir und den feilen Gesellen, die dich umwedeln wie Hunde, ist kein Erbarmen zu hoffen. Nicht Gott, sondern sein uranfänglicher Widersacher hat eure Seelen aus Schlamm und Blut viehisch zusammengeknetet. Diese Welt ruht noch immer im Schoße des Satans: deshalb bist du Imperator, denn du kömmst ihm an teuflischer Niedertracht und bestialischer Arglist am nächsten. Aber ich warne dich. Gott läßt sich nicht spotten. Er, der Allmächtige, der uns den Mut verleiht, furchtlos zu sterben zur Augenweide für deine Dirnen und Schandknaben, er wird dies jammervolle Geschlecht, das sich noch heute in Gold und Purpur brüstet, spurlos hinwegfegen. Wahrlich, euer Ende ist nahe! Schon höre ich das ferne Gewitter; schon seh' ich die Blitze, die euch zerschmettern sollen. All eure Macht ist wie die Spreu vor dem Winde. Die neue Sündflut öffnet gar bald ihre Schleusen; das einzige, was da siegreich emporragen wird über den Schutt eurer Herrlichkeit, ist das Kreuz Jesu Christi! Du bist bleich geworden, Claudius Nero, und jetzt ergreift dich die Ungeduld. Wir aber, dem Vorbild unsres Heilands getreu, bitten Gott um Gnade sogar für dich, unsern Feind. Todesgenossen! Bezwingt euren gerechten Haß! Hebt eure Blicke zum Himmel empor und sprecht mit dem Unwürdigsten eurer Gemeinde: ›Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!‹«
    Ein leises Gemurmel klang durch die Reihen der Nazarener.
    Gleich danach gab der langgezogene Ton einer Tuba das Zeichen. Mehrere hundert Sklaven, mit zierlichen Handfackeln versehen, stürzten sich auf die Opfer.
    Im nächsten Augenblick standen die teer- und wachsüberträuften Werghüllen von einem Ende der Pfahlreihe bis zum andern in heller Lohe. Gelles, rasendes Jammergeheul scholl durch die hereinbrechende Nacht. Lauter aber noch dröhnte das wüste Gebrüll der Volksmassen, die wie im Cirkus toll in die Hände klatschten und ihrem Entzücken durch Zurufe aller Art Ausdruck verliehen.
    »Ave Cäsar! Welch ein olympisches Fest! Welch ein flutendes Lichtmeer! Zollt Beifall, Quiriten! Beifall den flammenprächtigen Fackeln des Nero!«
    Tigellinus hob die gefüllte Schale. Das Schlagwort der Bevölkerung aufgreifend, rief er mit eisigem Hohne: »Fackeln des Nero, das bringt euch Tigellinus, der Fluchbeladene!«
    »Und dies hier Nero selbst, der den Irrwahn des Galiläers vertilgen wird, wie die Glut eure Leiber vertilgt!«
    Der Kaiser sprach's und schwang den rosenbekränzten Becher wie ein jugendstrahlender Dionysos. Zur Hälfte trank er ihn leer: nun reichte er ihn der ›göttlich schönen‹ Poppäa. Sie bog ihren schneeigen Hals zurück, bis ihr der letzte Tropfen des purpurroten Falerners hinabgerollt war. Dann schleuderte sie das wuchtige Trinkgefäß mit einem jauchzenden Aufschrei nach dem flammenumloderten Haupte des Nicodemus.
    Sie traf ihn mitten ins Antlitz.
    »Recht so!« meinte der Agrigentiner. »Das war die passendste Antwort auf sein Gefasel!«
    Poppäa, als ob sie den Eindruck ihrer mänadenhaften Brutalität verwischen wollte, neigte sich mit verdoppelter Anmut zum Cäsar, lachte ihn verführerisch an und raunte zärtlich: »Nero, Nero, wie ich dich liebe! Wahrlich, mir ist zu Sinne, als wären die lodernden Pfähle da unsre Hochzeitsfackeln!«
    Nero umschlang sie, wie einst die Genossen des Romulus ihre Sabinerinnen, wild, rücksichtslos, als wenn er zum erstenmal von ihr Besitz ergriffe.
    Auch Tigellinus schien durch das Todesgeheul des Christen zu doppelter Liebessehnsucht entflammt zu werden. Er drückte die schwer atmende Chloris heißer ans Herz und verschlang sie fast mit seinen fiebernden Küssen.
    Eine rauschende Festmusik stimmte weitab im Hintergrund ihre lüsternen Weisen an. Die brennenden Leiber der Märtyrer sandten weißgraue Wolken zum Himmel auf. Dort und da ward das gräßliche Wehgeschrei zum Wimmern und Winseln, – und verstummte dann völlig. Anderwärts hörte man aus der schwelenden Glut die

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