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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Minute, da schon die Henker mit ihren Bränden herankamen, die Treulose wiedersehen, ach, ach, und so wiedersehen – als müßige Zuschauerin seiner Qualen, halbnackt an der Brust eines andern! Das war des Jammers zu viel.
    ›Fern von ihr!‹ hatte er damals gewehklagt, als er, zum Tode verurteilt, durch die cyprische Gasse geschleppt wurde. ›Fern von ihr!‹ – Der Gedanke war ihm das schwerste gewesen bei jenem furchtbaren Gang. Wie ein Hohn über sein maßloses Elend zuckte ihm jetzt dieses ›Fern von ihr!‹ durch die Seele, da ihn das Schicksal dazu verurteilt hatte, ungeliebt vor ihren Augen dahinzusterben, in ihrer Nähe. fast erreichbar durch den Hauch ihres Atems.
    Noch einmal schrie er auf, – gräßlicher, furchtbarer, herzzerreißender, als zuerst. Er litt unmenschlich. Er fühlte schon jetzt, bevor sie entfacht war, die mordende Lohe, die ihn langsam aufzehren sollte.
    Die Rhodierin Chloris bebte am ganzen Leibe.
    »Was hast du?« fragte Tigellinus.
    Sie war unfähig, ihm zu antworten.
    Er zog sie dichter zu sich heran und küßte sie auf die weißschimmernde Kehle.
    »Hat der Feigling da mit seinem Todesgeheul dich erschreckt?« forschte er weiter.
    »Vielleicht,« flüsterte Chloris.
    Es zuckte ihr krampfhaft über das ganze Gesicht. Ihre Augen blickten wie leblos.
    »Ihr Griechen seid ein allzuweiches Geschlecht,« tröstete Tigellinus. »Ihr müßt euch, wie die Enkel des Romulus, mit dem Anblick des Todes und seiner Schrecken vertraut machen. Das gibt Lebensfrische und Mut. Das stählt die Genußfreudigkeit und die Spannkraft. Aber seh' ich denn recht? Ich erkenne den Burschen. Es ist Artemidorus, der Freigelassene des Flavius Scevinus. Sprich, mein Seelchen, beschleicht dich eine wehmutsvolle Erinnerung? Damals warst du noch die unnahbare Kitharödin – und jetzt . . .! Aber hast du etwas bei diesem Tausche verloren? Sophonius Tigellinus ist der Erste im Reich nach dem Kaiser. Fannius Rufus, der den Oberbefehl mit mir teilt, ist nur dem Namen nach mein Kollege, in Wahrheit mein Untergebener. Der Cäsar liebt mich; Poppäa thut keinen Atemzug, ohne sich Rats zu holen bei dem weltklugen Agrigentiner. Artemidorus aber – nun, du siehst's ja, wie weit er's mit seiner Schwärmerei für die Märchen des Galiläers gebracht hat!«
    »Er ist so jung,« seufzte die zitternde Chloris, »ach, und so gut!«
    »So gut,« versetzte der Agrigentiner, »daß er die erste rasende Sehnsucht des Imperators enttäuschen half. Du weißt doch von Acte . . .? Einmal nur hatte der Kaiser ihr von Liebe gesprochen: da entschwand sie ihm plötzlich, und so emsig er forschte, nirgends fand sich die leiseste Spur von ihr. Auch Artemidorus wurde gefragt, und er gab zur Antwort: ›Ich weiß von nichts!‹ Das war eine Lüge. Er kannte den Ort, wo sich Acte verborgen hatte. Und daß er dem Kaiser die Wahrheit so vorenthielt, das büßt er jetzt zugleich mit den andern Verbrechen, die ihm zur Last fallen. Deshalb hat man auch Sorge getragen, den Schandbuben in der Nähe des kaiserlichen Pulvinars einzurammen. Sein qualvoller Tod soll in die immer noch blutende Wunde des Imperators Balsam gießen. Ich verrate da mehr, als ich sagen sollte. Poppäa Sabina darf um keinen Preis davon wissen. Hörst du, wonnige Chloris?«
    »Ich höre,« hauchte sie tonlos.
    Nach dieser Eröffnung war nichts für Artemidorus zu hoffen.
    Gnade für den zu erflehen, den Claudius Nero persönlich haßte, das schien der Rhodierin gleichbedeutend mit der Gefährdung der eigenen Existenz.
    So rief sie denn die unversiegbare Kraft ihres Leichtsinns zu Hilfe und entschloß sich, alles geschehen zu lassen, wie es der Wille des Agrigentiners verhängt hatte. Nur ein stilles Gebet zu dem Totengott ihrer hellenischen Heimat, dem Hermes Psychopompos, wollte sie aufwenden, damit er die Seele des Abgeschiedenen freundlich hinübergeleite in die Gefilde des nachtumflatterten Hades.
    Inzwischen hob Artemidorus die weitgeöffneten Augen thränenlos zum Himmel empor, wo die ersten Sterne bleich im Azur glänzten.
    »Gott, mein Gott,« flehte er brünstig, »steh mir bei in dieser unermeßlichen Qual! Erbarmender Vater, laß mich einmal noch deine Gnade erfahren, auf daß nur du mir die Seele erfüllen mögest, du und der Heiland, der da gestorben ist zur Erlösung der Welt! Ach, wie zauberisch flutet ihr Haar! Wie strahlt ihr Auge! Wie blüht ihr blumenduftiger Mund! Wehe, sie rührt sich nicht! Sie springt nicht auf, mir zum letzten, grausigen Abschied

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