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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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ein linderndes Wort zu sagen! Gelassen und gleichmütig kann sie mit ansehen, wie Artemidorus zu Grunde geht! Ich habe sie heiß geliebt; sie wäre mein Glück gewesen; ich liebe sie noch, trotz all ihrer Schande! Cäsar, weshalb hast du mich damals begnadigt, da ich doch sterben konnte im Vollbesitz ihrer Liebe? Vater im Himmel, errette mich vor diesen Gedanken! In deine Hände befehle ich meinen Geist; nimm mich auf in die Schar der Erwählten, um Jesu willen, und tilge mir die Erinnerung an diese Stunde hinweg, sonst kann meine Seele nicht Rast gewinnen durch alle Jahrtausende!«
    Er neigte das Haupt und schloß die Augen, um nicht noch einmal dem Blicke der Rhodierin zu begegnen, die ihren Schauder jetzt abgeschüttelt und sich von neuem in die Begeisterung für den verlebten Agrigentiner versenkt hatte.
    Neben dem Freigelassenen des Flavius Scevinus hatte man den ehrsüchtigen Nicodemus aufgepflanzt. Er war bewußtlos gewesen, als die Sklaven ihn herschleppten. Sein Pfahl trug am oberen Ende einen mächtigen Querbalken, an welchem die ausgestreckten Arme des Delinquenten vermittelst zweier durch die Handflächen gehender Eisenstifte befestigt waren. Tigellinus wollte den tollkühnen Wortführer des Nazarenertums, der dem Kaiser so gründlich verhaßt war, auf diese Art vor den übrigen auszeichnen.
    Bei dem Aufschrei des Artemidorus war der Unglückliche aus seiner Betäubung erwacht. Von wahnwitzigem Grausen erfüllt, überblickte er den Jammer zu seiner Rechten und Linken, – und die prunkende Orgie zu seinen Füßen: den Cäsar am Busen der siegestrunkenen Poppäa; Tigellinus mit der schmachtenden Chloris; den Günstling Helius mit der frechen Septimia; und ringsumher auf der kaiserlichen Tribüne zehn, zwölf andre Paare, die sich, jeglicher Scheu vergessend, herzten und küßten, als decke statt der gelblich schimmernden Dämmerung tiefschwarze Nacht ihre Zärtlichkeiten . . .
    Er sah, wie Dutzende von jugendblühenden Sklavinnen, nur ein Flortuch um die Lenden geschlungen, zwischen den Freunden des Imperators einherhuschten, in der Rechten die kunstvoll getriebene Weinkanne, in der Linken die Schale . . .
    Er schaute die Kränze auf den salbentriefenden Häuptern, die schwellenden Rebengewinde, die Purpurrosen.
    Er gewahrte die üppigen Pardelfelle auf den leuchtenden Schultern halbwüchsiger Knaben, die ihre Thyrsusstäbe hoch über dem Kopfe schwangen; er gewahrte die unverschleierte Frechheit ihrer Gesinnung, die widerlichen Gebärden, die zuchtlosen Neckereien, das wüste, frevelhafte Gelächter.
    Entsetzt atmete er den ganzen unsagbaren Hauch von Wollust und Grausamkeit, der aus diesem Gewirr emporstieg, wie der betäubende Qualm aus dem Sündenpfuhle Gomorrhas.
    Und siehe, mit einemmal überkam ihn die volle Größe und Wucht seines einst so eifrig gepflegten Irrtums.
    Nein, diese widerspruchsvolle, gräßliche, durch und durch entartete Welt mußte erst ganz versinken, ehe der Boden sattsam gedüngt war für die Saatkörner Jesu Christi. Einstweilen konnte das Nazarenertum nur eine Stätte finden unter den Dächern der Armen und Elenden, in den Winkeln der Leichenträger, bei den Schiffsknechten jenseits des Tiberis, in den Arbeitshäusern und Sklavenzwingern.
    Von unten herauf mußte die Menschheit wiedergeboren, umgestaltet, und für das Wort Gottes empfänglich gemacht werden, nicht von der Höhe des Thrones herab, der nur den schaurigen Gipfel bildete einer herz- und hirnlosen, öden Gesellschaft.
    Und wie dies klar vor ihm aufstieg, da unterschied Nicodemus auch mit ergreifender Deutlichkeit, was da Echtes und Edles in seiner Bestrebung gelegen, und was ihm die Selbstsucht und Herrschbegier zugeraunt.
    »Es war Satanas, der mich versucht hat,« murmelte er durch die knirschenden Zähne. »Ihm, dem Weltverderber, hab' ich die Ruhe geopfert, den Frieden und die Einigkeit mit mir selbst. Weh mir: auch dich hab' ich mit hingeschlachtet, du liebliche Acte, die von dem Schöpfer mir anvertraut war, wie dem Hirten das Lamm. Allgütiger Vater, dafern es möglich ist, so vergib mir! Ich habe gesündigt an dir und deinem Gesetz! Ich bin nicht wert, mit den glaubensfreudigen Brüdern und Schwestern hier gemeinsam den Tod zu leiden!«
    Heiße Thränen überströmten sein Angesicht.
    Dann plötzlich krauste sich ihm die Stirne.
    »Hab' ich denn auch mein Leben umsonst gelebt, – so will ich sterbend noch Zeugnis ablegen für die göttliche Wahrheit! Vielleicht, vielleicht, daß ich dann Gnade finde

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