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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Latina dem mondbestrahlten Gebirge zu; denn das Regengewölk begann sich zu lichten.
    Die übrigen, Pallas voran, verfolgten die Richtung der Via Appia und erreichten nach scharfem Ritte das Städtchen Bovillä, woselbst sie Halt machten.
    Der feiste Wirt der verräucherten Thorschenke ward aus dem Schlafe gepocht; nach den Anstrengungen der letzten Stunden bedurfte man einer Erfrischung.
    Pallas ließ die acht oder zehn Reiter vorn in der Zechstube allein und trat mit der todbleichen Acte, die er gleich hinter dem letzten Hause der Via Appia zu sich aufs Pferd genommen, in ein Seitengemach, das der Schenkwirt für erlesenere Gäste bereit hielt.
    Eine samnitische Magd, der das verworrene, blauschwarze Haar tief ins Gesicht hing, hatte, mit ihren nackten Beinchen auf den hölzernen Tisch kletternd, die krokodilköpfige Hängelampe entzündet, die nun schwelenden Dochtes ihr trübseliges Licht verbreitete.
    Pallas hieß Acte niedersitzen. Er enthüllte sein Antlitz. Dann trat er, die Arme über der Brust gekreuzt, vor sie hin und fragte sie mit bebender Stimme: »Kennst du mich noch?«
    »Ja, und zwar besser als ehedem.«
    »Wie meinst du das?«
    »Früher hielt ich den Vertrauten der Kaiserin für einen gerechten und wackeren Mann; jetzt aber weiß ich, daß er ein Schurke ist.«
    Die Hand zuckte ihm nach dem Schwerte.
    Dann beherrschte er sich.
    »Acte,« sprach er, »laß uns die Lage der Dinge in voller Ruhe erörtern. Ich bin absichtlich während des ganzes Rittes stumm geblieben; diese Absicht hast du verstanden. Was wir zu reden haben, schickt sich nicht für die Ohren meiner Gefolgsleute.«
    »Rede denn!« sagte sie frostig.
    »Acte, elende, fluchbeladene Dirne, ich habe dich über die Maßen geliebt. Ich habe dir angeboten, was selbst eine Freigeborene stolz hätte nehmen dürfen: diese Hand, mein Haus und mein Herz. Acte, du solltest das ehrliche Weib eines ehrlichen Mannes werden. Du hast es vorgezogen, die Geliebte des lüsternen Imperators zu sein – eine Verderberin der kaiserlichen Familie, eine Verbrecherin an dem Glücke Octavias. Alle Welt ist empört, das Volk deutet mit Fingern auf dich . . . Und nun, da ich im Auftrage der Kaiserin-Mutter gekommen bin, dies schmachbedeckte Verhältnis zu lösen, nun erfrecht sich die ehrlose Libertine, die Buhlerin, mich einen Schurken zu heißen! Armseliges Kind, frage dich selber, ob deine Dreistigkeit nicht den Tod verdient!«
    Acte stützte den Kopf in die Hand. Ein Hauch von Zerknirschung ruhte sekundenlang über dem sinnenden Antlitz.
    Plötzlich röteten sich ihre Wangen; sie hob die herrlichen Wimpern und maß den Vertrauten der Kaiserin mit trotzigen Blicken.
    Je schroffer und verdammender seine Rede geklungen, je mehr sie ihm recht geben mußte, wenn sie sich auf den Standpunkt Octavias und der Kaiserin-Mutter stellte, um so entschiedener regte sich ihr das dunkle, aber machtvolle Bewußtsein, daß sie kraft eines höheren Gesetzes bessere Ansprüche auf den Geliebten habe, als irgend wer sonst.
    Ein freundlicher Warner aus der Gemeinde der Nazarener, der da mit Worten der Milde an ihre Seele gepocht, der ihr klargemacht hätte, daß die echte Christin entsagen muß, wo das Glück ihres Herzens mit den Geboten des göttlichen Heilands im Widerspruch steht, hätte vielleicht ihr erregtes Gemüt auf die richtigen Pfade geleitet. Pallas jedoch, der im Namen der Agrippina und der beleidigten römischen Gesellschaft zu reden vorgab, während er doch in Wahrheit nur dem Drang seiner eigenen Leidenschaft folgte, Pallas war nicht der Mann, ihre Achtung vor dem geschriebenen Recht und dem Willen der Kaiserin-Mutter zu kräftigen.
    Sie sah zu ihm auf und versetzte mit ruhiger Stimme: »Nein, ich bin nicht, was du mich schiltst. Ich sage dir's frei ins Gesicht, – und weshalb sollt' ich mich schämen . . .? Macht's doch den tiefsten Kern meines Wesens aus –: Erst seit ich Nero liebe, glaub' ich zu leben! Ja, Pallas, ich habe ihn lieb, wie nichts, nichts auf der Welt. Sein Weib bin ich gewesen, und ich sehe nichts Schlimmes darin; denn nur die unbezwingliche Sehnsucht hat mich ihm zugeführt. Er aber war nicht mein Geliebter, wie ihr's versteht, wenn ihr dem Publius Ovidius nachplappert, sondern mein rechter Gemahl. Er hat alles mit mir geteilt, was ihm das Herz bewegte, und wenn nicht Octavia wäre, die ja gewiß edel und gut ist, die ihm aber das tiefe Gemüt nicht ersättigen kann, er hätte mich frank und frei auf den Thron erhoben.«
    »Das lügst

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