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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gibert
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das familiäre Umfeld einzustufen? Weiterhin müssen wir berücksichtigen, dass beide Verbrechen an Mitgliedern von Minderheiten begangen wurden, was einen Täterkreis vom äußersten rechten Rand möglich erscheinen lässt. Schwule und Türken stehen auf deren Hasslisten ganz oben. Wir sollten nach Gruppierungen suchen, die hier in Kassel aktiv sind, aber auch bundesweit recherchieren.«
    Er griff nach einer der Wasserflaschen, die auf dem Tisch standen, goss sich ein Glas ein und nahm einen großen Schluck.
    »Da sind die Herren vom BKA gefragt. Natürlich müssen wir bei dieser Bedrohungslage auch an einen islamistisch begründeten Terroranschlag denken, wofür die Anzeichen nach meiner Meinung aber nicht sprechen. Das Schreiben an den Oberbürgermeister ist zwar auf Englisch verfasst, aber die Handschrift und die Vorgehensweisen der bekannten Organisationen sehen anders aus.«
    Er sah Fleischer an. »Was meinst du, Frank?« Offenbar kannten sich der Staatsanwalt aus Karlsruhe und der BKA-Mann aus Wiesbaden.
    »Schwierig zu beurteilen. Vielleicht eine neue Form, wir sind da auch am rätseln. Unsere Leute ermitteln mit allen verfügbaren Kräften, aber natürlich stehen wir noch ganz am Anfang.«
    Kramer sah in die Runde.
    »Weitere Vorschläge Ihrerseits?«
    Lenz hob die Hand.
    »Sie brauchen sich nicht zu melden, Herr Lenz. Nur zu, was haben Sie?«
    »Wir haben darüber nachgedacht, ob es eine Verbindung zur Künstlerszene geben könnte. Nach unseren Informationen ist die Auswahl der Künstler, die zur Documenta eingeladen wurden, sehr kontrovers diskutiert worden. Wir sollten uns daher unter denen umsehen, die sich Hoffnungen gemacht haben und übergangen wurden.«
    »Gute Idee. Das sollten wir auf jeden Fall abklopfen.«
    »Dann könnte es sein, dass sich die Tat gegen die Stadt Kassel richtet. Vielleicht wollen die Täter eine Absage der Ausstellung erzwingen, was einen riesigen Imageverlust für unsere Stadt bedeuten würde. Vielleicht gibt es dann nie mehr eine Documenta hier.«
    »Haben Sie eine Idee, wen wir in diesem Fall in den Kreis der potenziellen Täter einbeziehen müssten?«
    »Nein, leider nicht.«
    »Gut, auch das werden wir im Auge behalten. Als Nächstes müssen wir herausfinden, wo das Zeug herkommt, mit dem die beiden getötet wurden.« Er sah Fleischer an. »Frank?«
    »Im Moment sind Gewebeproben der Toten auf dem Weg ins Labor, allerdings haben wir wenig Hoffnung, dass herauszufinden ist, wer es hergestellt hat. Anders als zum Beispiel bei Anthrax, wo es so etwas wie einen Fingerabdruck gibt, der das Herstellungslabor verrät, ist das bei Soman nicht so einfach, weil es sich dabei im Prinzip um 1944 in Deutschland entwickeltes Pflanzenschutzmittel handelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es drei Nervenkampfstoffe der G-Klasse, also Sarin, Tabun und unser hier verwendetes Soman, das übrigens von dem Gründer der Waschmittelwerke, Henkel, mitentwickelt wurde. Später haben die westlichen Alliierten sich das Tabun und das Sarin unter den Nagel gerissen und weiterentwickelt, während die Sowjets sich das Soman geschnappt haben. Das heißt aber nicht, dass die anderen nicht auch Soman in ihren Arsenalen gehabt hätten oder haben. Das meiste davon sollte nach den aktuellen Verträgen vernichtet sein, aber die Kontrolle ist schwierig. Es geistert also noch jede Menge dieses Kampfstoffes in der Welt umher, und auch die Herstellung ist für einen halbwegs begabten Chemiker mit einem kleinen Labor kein Problem. Das viel größere ist, sich mit dem Zeug nicht selbst umzubringen. Wir versuchen jetzt, zu ermitteln, ob es sich um ehemals sowjetisches, also jetzt russisches Soman handeln könnte, was aber, wie ich schon gesagt habe, verdammt kompliziert ist. Wenn wir eine Antwort gefunden haben, könnte die immerhin einen Hinweis auf unsere Täter liefern.«
    Kramer nickte anerkennend mit dem Kopf.
    »Das wäre schön. Weiterhin müssen wir noch klären, wie das Soman in die Körper gelangt ist. Bis jetzt haben wir keine Anhaltspunkte. Die Leiche Bilicin ist schon stark verwest, da wird es sehr schwer, den Aufnahmeweg nachzuverfolgen. Bei der Leiche Brill sieht es dank des Einsatzes der Kasseler Kollegen im Krematorium dafür umso besser aus. Da in der ersten Zusammenfassung des Obduktionsergebnisses nichts zu einem möglichen Aufnahmeweg des Nervenkampfstoffes bei Brill zu finden ist, habe ich veranlasst, die Leiche zwecks weiterer Untersuchungen ins Labor des BKA nach Wiesbaden bringen zu

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