Nervenflattern
außer der Furcht unseres OB noch Neues?«
Lenz gab Wagner einen Überblick über die aktuellen Ereignisse.
»Meinst du, der Türke hat was damit zu tun?«
»Nein, völlig ausgeschlossen. Vielleicht bringen uns die Akten des Jugendamtes weiter, aber der Türkenjunge ist harmlos.«
»Es ist gleich acht«, warf Hain ein. »Lass uns mal besser pünktlich oben sein.«
Die zweite Besprechung der Sonderkommission Brill dauerte 70 Minuten. Es gab keine neuen Erkenntnisse der Ermittler vom BKA, was die Täter anging. Lenz berichtete von den Besuchen in der Einkaufsgalerie und bei Bilicin, aber wirklich Neues hatte auch er nicht zu bieten. Bundesanwalt Kramer hatte einen Polizeipsychologen als Profiler hinzugezogen, der mit anderen Worten das Gleiche feststellte, was Lenz schon von Helga Driessler gehört hatte.
20
»Insgesamt keine berauschende Veranstaltung«, fasste Hain zusammen, als sie zum Haus des Landkreises in der Wilhelmshöher Allee fuhren, in dem das Jugendamt untergebracht war.
»Das ist meistens so, wenn es keine Neuigkeiten gibt. Jeder Teilnehmer erklärt nur lang und breit, was er alles unternommen hat. Wir sind ja auch noch nicht sehr erfolgreich gewesen.«
»Aber du hat es gut verkauft, Chef. Wirklich.« Beide grinsten.
Der Abteilungsleiter erwartete sie am Hintereingang. Er war ein nervöser, asketisch wirkender Mann von etwa 40 Jahren, der Bundfaltenhose und Poloshirt trug.
»Johannes Hainmüller«, stellte er sich vor und gab den Polizisten die Hand.
»Ich bin der Abteilungsleiter von Herrn Brill.« Er stockte. »Gewesen.« Er nahm ein Taschentuch aus der Hosentasche und tupfte sich die Stirn ab.
Womit habe ich den jetzt wieder verdient, fragte sich Lenz.
»Mein Chef, Herr Vockeroth, lässt sich entschuldigen. Sein Sohn hat sich die ganze Nacht erbrochen, er ist mit ihm zum Arzt gefahren. Wenn er es schafft, stößt er noch zu uns, ansonsten müssen Sie mit mir vorliebnehmen.«
»Ich denke, wir kommen auch so zurecht, Herr Hainmüller. Wahrscheinlich sind Sie ohnehin besser mit der Arbeit von Herrn Brill vertraut.«
»Das ist sicher richtig. Ich habe jeden Fall im Kopf, mit dem Brill, also Herr Brill, zu tun hatte.«
Er schloss die Tür auf und ging voraus. Der moderne Zweckbau war im Innern kühl und hatte etwas Beruhigendes.
»Hier, bitte«, sagte der Abteilungsleiter und drückte den Lichtschalter. Sie standen in einem kleinen Raum ohne Fenster, der von einer einzelnen Neonröhre beleuchtet wurde, die rhythmisch zuckte und dabei ein knisterndes Geräusch von sich gab. In der Mitte stand ein mit Akten überladener Schreibtisch. Lenz und Hain sahen sich verdutzt an.
»Hier hat Herr Brill gearbeitet?«, fragte Hain ungläubig.
»Nun ja, er war meistens unterwegs. Wir haben leider keinen anderen Raum für ihn gehabt.«
Lenz zog die Tür zu einem Schrank auf, der an der langen Seite des Raumes stand. Auch darin waren Akten gestapelt.
»Wie lange hat Herr Brill denn schon hier gearbeitet?«
»In unserer Abteilung? Da müsste ich nachsehen, ich bin erst vor einem Jahr hier Abteilungsleiter geworden. Aber sicher mehr als 10 Jahre.«
»Und immer in diesem Raum hier?«
Hainmüller tupfte sich wieder mit dem Taschentuch die Stirn.
»Herrje, das weiß ich beim besten Willen nicht. Ein paar Monate vielleicht.«
Lenz griff sich eine Akte aus dem Schrank.
»Wie und wo Herr Brill gearbeitet hat, geht uns eigentlich gar nichts an. Was er gemacht hat, interessiert uns dafür umso mehr.«
Er öffnete die rote Mappe in seiner Hand und blätterte darin.
»Vielleicht finden wir in seinen Akten einen Hinweis, wer ihn getötet hat. Wie viele Fälle hat Herr Brill denn in Bearbeitung gehabt?«
»Etwa 400.«
Lenz pfiff durch die Zähne.
»400! Ist das denn zu schaffen?«
»Für ihn war es schwierig, andere Mitarbeiter schaffen das spielend.«
»Herr Brill war also langsamer als andere?«
»So könnte man sagen, ja.«
»Und Sie haben alle Fälle im Kopf, die er bearbeitet hat?«
»Jeden einzelnen.«
Lenz betrachtete den Abteilungsleiter. Etwas sagte ihm, dass er von Hainmüller nicht ernst genommen wurde.
»Wussten Sie, dass Brill homosexuell war?«
Hainmüller zuckte zusammen.
»Nein, woher auch? Mich interessiert, ob meine Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung erbringen, mehr nicht. Und schon gar nicht ihre sexuellen Neigungen.« Wieder betupfte er sich die Stirn. Lenz sah ihn mehrere Sekunden lang an. Dann klappte er die Akte zusammen und setzte sich.
»Gut, Herr Hainmüller. Jetzt
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