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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gibert
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hochwirksame Gifte verfügen.«
    »Ich werde tun, was ich kann. Aber der Baba ist nicht mehr das in der Familie, was er früher war, auch wenn die Deutschen das immer denken. Unsere Kinder sind erwachsen und haben ihren eigenen Kopf. Manchmal auch einen Dummkopf.«
    Lenz nickte zustimmend.
    »Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Frau einen Feind hatte, der sie umgebracht hat?«
    Der alte Türke lachte laut auf.
    »Meine Ayse? Wenn Sie sie kennengelernt hätten, würden Sie diese Frage nicht stellen. Sie hat vier Kinder zur Welt gebracht und war immer eine gute Mutter und eine gute Frau. Wir hatten nie viel Geld und ich musste hart arbeiten, um alle satt zu kriegen, aber Ayse hat für jeden etwas übrig gehabt. Manchmal musste ich sie stoppen, sonst hätten wir vielleicht gehungert.« Er lachte wieder.
    »Na ja, so schlimm war es nicht.«
    »Wo haben Sie gearbeitet?«
    »Zuerst bei Henschel, später, als das Werk übernommen wurde, bei Mercedes. Ich konnte immer zu Fuß zur Arbeit gehen.«
    »Und seit wann sind Sie in Deutschland?«
    »Ich bin 1968 hierher gekommen, meine Frau zwei Jahre später. Und wir waren immer in Kassel, wir wollten nie woanders hin. Viele von meiner Familie wohnen in Frankfurt, aber die Stadt ist mir zu groß, da will ich nicht hin.«
    Er nahm einen weiteren Schluck Tee und Lenz war einmal mehr beeindruckt wie gut der Mann sich in der deutschen Sprache ausdrücken konnte.
    »Und jetzt sitze ich hier alleine in dieser Wohnung. Manchmal kommt mein jüngster Sohn nach Hause, er lebt eigentlich noch hier, aber seit er eine oder mehrere Freundinnen hat, sehe ich ihn nicht mehr so oft.«
    »Der Mann, der von der Brücke gefahren ist, wurde auch vergiftet. Er hieß Dieter Brill. Kannten Sie ihn?«
    »Ich weiß nicht. Den Namen kenne ich nicht. Haben Sie ein Bild von ihm? Die deutschen Namen klingen auch nach den vielen Jahren noch alle gleich für meine anatolischen Ohren.«
    Lenz ärgerte sich, dass er nicht daran gedacht hatte, Leichter nach einem Bild von Brill zu fragen.
    »Nein, aber ich werde eins besorgen und komme dann wieder vorbei.«
    »Machen Sie das, ich freue mich. Und finden Sie den Mann, der meine Ayse ermordet hat, dann kann ich wieder besser schlafen. Die letzte Nacht war schlimm für mich, weil ich immer daran denken musste, wie sie vielleicht leiden musste mit diesem Gift.«
    »Das tut mir ehrlich leid. Aber soweit wir wissen, musste sie nicht leiden.«
    Er wollte aufstehen, aber ihm fiel noch etwas ein. Es kam ihm zwar merkwürdig vor, diese Frage zu stellen, aber er tat es trotzdem.
    »Haben oder hatten Sie oder Ihre Frau irgendwelche Kontakte zur Documenta, Herr Bilicin?«
    »Zu was?«
    »In Kassel gibt es alle fünf Jahre eine große Kunstausstellung, die Documenta. Dann kommen berühmte Künstler nach Kassel und viele Menschen besuchen diese Ausstellung. Im Sommer findet sie wieder statt.«
    »Ich habe vielleicht mal davon gehört, Herr Kommissar, aber weiß nichts darüber. Ayse und ich waren nie interessiert an Kunst. Meine Tochter, die kennt sich da bestimmt gut aus, aber wir nicht. Wir sind einfache Leute geblieben.«
    Lenz stand auf, bedankte sich für den Tee und verabschiedete sich von Bilicin. Auf der Treppe drehte er sich noch einmal um.
    »Wenn ich etwas Neues erfahre, melde ich mich bei Ihnen, aber ich komme sowieso noch einmal mit dem Foto vorbei.«
     

19
     
     
    Zwei Stunden später saß er in der kleinen Küche seiner Wohnung und las in der Regionalzeitung. Hain hatte sich nicht gemeldet, und Ludger Brandt, den er angerufen hatte, war einverstanden, dass er seinen Arbeitstag beendete. Während der Fahrt mit der Straßenbahn durch die Stadt, als er die vielen Menschen auf der Königsstraße, der Einkaufsmeile, beobachtet hatte, waren ihm sonderbare Dinge durch den Kopf gegangen. Was würde passieren, wenn es tatsächlich zu einem Anschlag käme? Wie viele Tote würde es geben? Wie konnte er sich persönlich schützen? Und Maria? Er stand auf, füllte ein Glas mit Wasser und nahm einen großen Schluck. Nichts wäre wie vorher in seiner Stadt.
    Das Klingeln des Mobiltelefons riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Lenz.«
    »Hallo, Herr Hauptkommissar, hier ist Zeislinger. Störe ich Sie?«
    »Überhaupt nicht, Herr Zeislinger«, log er. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich bin auf dem Weg nach Kassel, nicht, wie Sie vielleicht wissen. Nun wollte ich fragen, ob es einen neuen Sachstand gibt.«
    »Nein, Herr Bürgermeister, es gibt keine neuen Erkenntnisse. Wir sind

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