Nervenflattern
sondern uns auch mit Informationen über Hainmüller versorgen. Und wir sollten gleich mal eine Abfrage über ihn starten.«
»Mach ich. Aber jetzt lass uns irgendwo was essen, ich hab mächtigen Hunger.«
Hain fuhr zu einer kleinen Stehpizzeria an der Martinskirche, in der sie öfter aßen, weil man dort für wenig Geld satt werden konnte.
Den Rückweg trat Lenz zu Fuß an, weil er sich ein bisschen bewegen wollte. Er ging langsam durch die Fußgängerzone in der unteren Königsstraße. Wie so oft war nicht viel los, wenn die Geschäfte geschlossen hatten. An der Haltestelle am Königsplatz warteten ein paar Jugendliche auf die Straßenbahn, und er sah die Besatzungen zweier Polizeiwagen. Sonst war der Platz menschenleer, aber das konnte auch mit den Ereignissen der letzten Tage zusammenhängen. Er blieb an einem der Wasserspeier stehen, die vor ein paar Jahren auf dem Platz installiert worden waren. Wie schon damals, wirkten diese bronzefarbenen Gebilde auch heute noch wie Fremdkörper auf ihn. Er erinnerte sich daran, was die Stadt in den vergangenen 20 Jahren diesem innerstädtischen Juwel alles zugemutet hatte. Immer neue Verschlimmbesserungen hatte der Platz über sich ergehen lassen müssen, gekrönt von einer überdimensionierten Treppe ins Nichts, die als Documentabeitrag gestartet war und in einer illegalen Nacht- und Nebelaktion mit dem Abriss endete. Kopfschüttelnd überquerte er den Platz und ging über die Kölnische Straße und den Bahnhofsvorplatz zurück zum Präsidium. Dort suchte er nach Ludger Brandt, konnte ihn aber nicht finden.
»Ludger ist nach Hause gegangen«, klärte ihn ein Kollege vom KDD auf. »Er hat sich nicht gut gefühlt, wahrscheinlich eine Erkältung.«
Auf dem Gang vor ihren Büros kam Hain auf ihn zu. Der junge Kollege wedelte mit einem Blatt Papier vor seiner Nase herum.
»Hainmüller ist so blitzsauber, wie ich es vermutet habe. Der parkt nicht mal falsch.«
»War zu erwarten. Trotzdem fühlen wir ihm weiter auf den Zahn. Ludger ist schon daheim, weil er sich nicht gut gefühlt hat, und wir machen jetzt auch Feierabend. Gibts was Neues von den BKA-Kollegen?«
»Ich hab nichts gehört.«
»Dann darfst du mich jetzt nach Hause fahren.«
22
Am nächsten Morgen gab es tatsächlich Neuigkeiten für die Sonderkommission. Ein Bericht aus Wiesbaden besagte, dass sowohl Brill als auch Ayse Bilicin das Soman über die Haut zugeführt worden war. Eine genaue Untersuchung des Wagens von Brill hatte zwar keine neuen Erkenntnisse gebracht, aber die Fachleute beim BKA gingen trotzdem davon aus, dass er es im Wagen aufgenommen hatte, weil sie stark vermuteten, dass sein Rücken mit dem Nervenkampfstoff in Berührung gekommen war. Bei Ayse Bilicin sprach alles dafür, dass sie den Stoff über die Hände aufgenommen hatte. Fleischer vom BKA berichtete über eine Gruppe von Rechtsextremen, die wegen eines Chemikers, der sie unterstützte, ins Visier der Fahnder geraten war. Sie wurden observiert, ihre Telefone abgehört, und es wurde ein V-Mann angesprochen, der in ihrer Nähe platziert war. Dann berichtete Lenz von den Ergebnissen der Aktensichtung im Jugendamt und den Auffälligkeiten bei Hainmüller. Fleischer verzog leicht säuerlich die Mundwinkel, als Lenz sprach.
Bundesanwalt Kramer informierte die Teilnehmer der Sitzung über einen Hinweis ›amerikanischer Ermittler‹, dass eine jemenitische Gruppe fundamentalistischer Moslems einen Anschlag in Deutschland plane. Allerdings gab es noch keine eindeutigen Beweise dafür.
Als die Sitzung beendet war und Lenz sich auf dem Flur eine Zigarette anzünden wollte, trat der Bundesanwalt neben ihn.
»Glauben Sie, dass Hainmüller etwas mit der Sache zu tun hat?«
Lenz war erstaunt, dass Kramer den Namen des Abteilungsleiters noch im Kopf hatte. Er nahm die Zigarette aus dem Mund und steckte sie zurück in die Packung.
»Bis jetzt ist alles, was ihn betrifft, noch vage, aber sein Verhalten war schon sehr merkwürdig. Wir gehen gleich wieder zum Jugendamt und werden sehen, was dabei herauskommt.«
»Lassen Sie sich von Fleischer nicht verunsichern, Herr Lenz. Ihre Ermittlungen sind genauso wichtig wie seine.«
Offenbar war auch dem Bundesanwalt Fleischers Reaktion während des Berichts von Lenz nicht entgangen.
»Er neigt manchmal dazu, seine Arbeit als übergeordnet zu bewerten. Ich kenne ihn schon einige Jahre und schätze ihn als guten Ermittler, aber er ist nun mal ein arroganter Kerl.«
Er lächelte.
»Und das meine
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