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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gibert
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ausgeliehen hatte, sah er in eine andere Richtung und nahm sich vor, gleich am nächsten Morgen vorbeizugehen und das gute Stück zurückzubringen.
    Er überquerte an der Fußgängerampel gegenüber der Apotheke bei Rot die Straße. Als er etwa zwei Drittel des Bahnhofsvorplatzes hinter sich gebracht hatte, hörte er, wie jemand hinter ihm seinen Namen rief. Als er sich umdrehte, wurde er von der Sonne geblendet, die sich in einer der Autoscheiben spiegelte. Mit zusammengekniffenen Augen und einer Hand an der Stirn suchte er nach einem vertrauten Gesicht, konnte aber keins entdecken. An einem Auto lehnte eine ältere Frau, die ihm zwar nicht bekannt vorkam, aber in seine Richtung winkte. Lenz setzte sich in Bewegung und ging auf sie zu, aber auch als er näher kam, konnte er mit ihrem Gesicht nichts anfangen. Er verlangsamte seine Schritte und stand nun etwa fünf Meter von der Fremden entfernt. Sie trug ein rotes Kopftuch, eine dunkle Sonnenbrille, leichte schwarze Handschuhe und hatte einen dezenten Lippenstift aufgelegt. Ihr langer Batikrock hätte bequem in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gepasst, wurde aber durch eine schwarze Lederjacke und schwere Wanderschuhe etwas entschärft.
    »Guten Tag, Herr Lenz.«
    »Kennen wir uns?«
    »Noch nicht, aber das wird sich gleich ändern. Ich würde gerne einen kleinen Spaziergang mit Ihnen machen.«
    Lenz wusste für einen ziemlich langen Moment nicht, was er von der Frau und ihrer Bitte halten sollte. In seinem Kopf scannte er das Gesicht, konnte jedoch keine Verknüpfung zu seinem Gedächtnis herstellen.
    »Wir sollten miteinander reden, Herr Kommissar. Ich bin sicher, Sie sind sehr interessiert an dem, was ich Ihnen zu erzählen habe.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Lenz, nun deutlich schärfer im Ton.
    Die Frau lachte auf.
    »Da sucht nun die gesamte Kasseler Polizei nach mir und wenn sie mich gefunden hat, erkennt sie mich nicht mal. Mein Name ist Simone Tauner, und ich bin die Frau, deren Herz vor ein paar Monaten aufgehört hat zu schlagen.«
    Lenz wollte reflexartig zu seiner Waffe greifen, aber ein Impuls aus seinem Hinterkopf hielt ihn davon ab.
    »Und bevor Sie auf dumme Gedanken kommen, sollten Sie sich das hier ansehen«, forderte sie ihn auf und öffnete ihre Jacke. Rechts und links auf der Innenseite waren jeweils zwei der Glasröhrchen angebracht, die Lenz auf dem Foto des Feuerwehrmannes vor dem Pressehaus gesehen hatte.
    »Das hier reicht, um etwa jeden zehnten Bürger dieser schönen Stadt qualvoll verrecken zu lassen«, erklärte sie teilnahmslos und holte ein weiteres Röhrchen aus der Jackentasche, das sie mit der linken Hand umklammert hielt.
    Nun griff Lenz zur Achsel und tastete nach seiner Waffe, ließ die Hand jedoch unter der Jacke.
    »Ich könnte Sie auf der Stelle erschießen. Was sollte mich daran hindern?«
    »Dann würden Sie nie erfahren, wo die großen Brüder dieser kleinen Spielzeuge versteckt sind. Und wann sie so heiß geworden sind, dass sie von ganz alleine zu gefährlichen Biestern werden.«
    Lenz sah sich um. Der Bahnhofsvorplatz war voll von Menschen, und in diesem Moment strömte eine weitere Menge aus dem Innern des Bahnhofs. Vermutlich hatte ein Vorortzug seine Passagiere ausgespuckt. Die Taxispur war noch immer gesperrt und wurde als Parkplatz für die Kollegen vom BKA benutzt, aber er sah nur abgestellte Autos, keine Menschen, die dazugehörten. Er drehte sich um und sah in Richtung des Polizeipräsidiums, als ob ein übermenschliches Wesen von dort kommen könnte, um ihn aus dieser Situation zu befreien.
    »Sie werden ein Stück mit mir gehen, Herr Kommissar!«
    Ihre Stimme hatte eine gefährliche Strenge angenommen. Um die Forderung zu untermauern, bewegte sie ihre Jacke kurz auf und ab. Lenz hörte, wie die Glasröhrchen klimpernd gegeneinanderschlugen.
    Sie blufft, dachte er. Sie blufft, weil kein Mensch so blöd sein kann sich das anzutun, was sie vorhat. Aber gleichzeitig hatte er kein Interesse, sich von ihr das Gegenteil beweisen zu lassen.
    »Machen Sie keinen Quatsch, Frau Tauner. Sie haben keine Chance, mit dieser Nummer durchzukommen.«
    Simone Tauner ging langsam auf ihn zu.
    »Wissen Sie, wie egal mir das ist?«
    Sie schüttelte den Kopf, wobei ihre Haare hinter dem Kopftuch hervorschwangen.
    »Nein, das können Sie nicht wissen.«
    Ihre Stimme klang jetzt fast flehend.
    Lenz wusste, dass er innerhalb der nächsten Sekunden eine Entscheidung treffen musste. Was auch immer er tat, er glaubte, nur

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