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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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dort mitten in dem Talkessel an einem kleinen See lag. Während die Bewohner schliefen, stieg das Wasser des Sees unaufhörlich an. Man erzählt sich, dass am nächsten Morgen nichts mehr von der Stadt zu sehen war. Der See hatte das ganze Tal ausgefüllt.«
    »Aber warum ist der See weiß wie Schnee?«, wollte Yonathan wissen.
    »Es heißt, dass am folgenden Tag das Sonne das letzte Mal über dem Verborgenen Land schien. Alles Wasser stieg unter dem sengenden Glühen der Sonne aus dem See auf und bildete diese dichte Wolkendecke, unter der sich seit jenem Tage das Verborgene Land versteckt. In diesem Tal aber blieb nur Salz zurück – so dick, dass weiterhin nichts von Ha-Cherem, wie die Stadt seitdem heißt, zu sehen ist.«
    »Und auf Salz gibt es kein Leben«, ergänzte Yonathan.
    »Richtig, deshalb nennt man dieses See auch das Weiße Tod.«
    »Ich finde, Ha-Cherem, die Verfluchte, hätte völlig ausgereicht«, bemerkte Yomi.
    Din-Mikkith klatschte in die sechsfingrigen Hände und bemühte sich, die gedrückte Stimmung zu vertreiben. »Jedenfalls werden wir heute Nacht den Weißen Tod überqueren. Also lasst uns eine Kleinigkeit essen und dann schlafen.«
    »Glaubst du, wir schaffen es, den See in einer Nacht zu überqueren?«, fragte Yonathan, zweifelnd auf den lang gestreckten Talkessel blickend.
    »Wir müssen es, Kleines. Wenn dort oben in den Bergen jemand das Tal beobachtet, dann werden wir uns bei Tageslicht kaum verstecken können. Wir wären so unauffällig wie drei Brombeeren auf einem weißen Tischtuch.«
    »Du verstehst es wirklich, einem Mut zu machen«, warf Yomi ein. »Können wir nicht um den See herumwandern und die natürliche Deckung nutzen, um unbemerkt ans andere Ende zu gelangen?«
    »Nein, Kleines. Schau dir doch das Ufer des Sees an. Dort wächst so gut wie nichts und schon wenige Fuß weiter steigen steile Klippen auf. Der Weg wäre weiter, aber sicherer…«
    »Da!«, rief Yonathan aus. »Habt ihr das gesehen?«
    »Nein, was denn?«, fragte Yomi missmutig zurück.
    »Da war ein… ein Blinken – irgendetwas hat geblitzt dort oben.« Yonathan deutete in die Richtung jenseits des Sees.
    Din-Mikkith suchte mit seinen scharfen Augen die von weißen Gipfeln gekrönten Berge in der Ferne ab. »Ich kann nichts erkennen«, erklärte er nach einer Weile. Er schüttelte den Kopf. »Es ist zu dunstig.«
    »Meinst du,… es könnte Sethur gewesen sein?« Yonathan flüsterte.
    »Ich weiß es nicht. Möglich war’s schon. Wenn ich Sethur wäre, würde ich mich jedenfalls da oben irgendwo in einen Hinterhalt legen. Aber es nützt nichts, wenn wir uns verrückt machen, Kleines. Wer nervös ist, macht Fehler. Und das ist es, was Sethur will.« Din-Mikkiths aufmunternder Blick wanderte von Yomi zu Yonathan und blieb auf diesem haften. »Schließlich haben auch wir noch ein paar Trümpfe in der Hand, nicht wahr Yonathan?«
    Sobald sich das Tageslicht bis auf ein paar letzte Fetzen, die auf den fernen Berggipfeln hängen geblieben waren, verflüchtigt hatte, machten sich die drei auf den Weg. Als graue Schatten glitten sie aus der überwucherten Erdsenke heraus und suchten sich ihren Weg den flach abfallenden Hang zum Seeufer hinab. Als sie ihre Füße – zunächst zaghaft, dann entschlossen und weit ausschreitend – auf das Salz setzten, war das Tal bereits gänzlich von nächtlicher Dunkelheit erfüllt. Nur das Knirschen ihrer Schritte verriet ihre Gegenwart. Doch es verhallte in dieser scheinbar endlosen Leere.
    Am meisten litt wieder Yomi unter den ungewöhnlichen Umständen. Nicht, dass ihn hier, auf dem Salzsee, irgendwelche Äste ins Gesicht schlagen oder seine Füße zum Straucheln bringen konnten. Im Gegenteil! Die Oberfläche des Sees war flach und eben, so flach, dass man glaubte, durch ein grenzenloses Nichts zu marschieren, eine unendliche Leere, die sich in alle Himmelsrichtungen bis an den Horizont erstreckte und dahinter bis zum nächsten Horizont und so weiter und so fort.
    Etwas anderes beunruhigte Yomi. Die Hälfte seines jungen Lebens war er dem Aberglauben der Seeleute ausgesetzt gewesen. Kein Wunder, dass dieser Einfluss auf ihn abgefärbt hatte.
    Durch einen lauten Aufschrei brachte er seine beiden Freunde zum Stehen.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, raunte Din-Mikkith ärgerlich.
    »Ich fürchte, ja«, erwiderte Yomi mit zitternder Stimme.
    »Was soll das heißen? Warum brüllst du wie ein Baum, in den ein Blitz gefahren ist?«
    »Ich glaube, mich hat eben etwas

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