Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok
Ohr.
Yonathan schüttelte sich, um wieder Herr seiner Sinne zu werden. Als er sich seinem Freund zuwandte, stellte er fest, dass auch dessen Haut grau war und nicht mehr grün. Lag das nun an der Fähigkeit des Behmisch sich seiner Umgebung anzupassen, oder war Din-Mikkiths Körper – wie scheinbar alles an diesem Ort – ebenfalls mit Asche bedeckt? Yonathan schaute an sich selbst hinunter und rang sich ein mühsames Lächeln ab.
Er klopfte sich ein paar Mal kräftig auf Wams und Hose und hüllte sich dabei in eine dicke Staubwolke. Gurgi auf seiner Schulter protestierte mit einem schrillen Aufschrei und zog sich beleidigt in ihr sicheres Quartier an seiner Brust zurück.
»Ich schlage vor, wir gehen hinein. Da drinnen sieht man wenigstens das Asche nicht so. Außerdem wird es gleich anfangen zu regnen.«
Wieder in der Höhle angekommen fragte Yonathan den Behmisch: »Hast du schon mal einen solchen Vulkanausbruch miterlebt?«
»Na ja, vielleicht nicht ganz so heftig, aber fremd ist es mir nicht.« Din-Mikkith legte den Kopf eigenartig schief und kicherte in sich hinein. »Aber der Regenwald ist stark. Bald wird es hier wieder so grün sein wie meine Augen.«
»Nur, so lange werden wir nicht warten können«, schaltete sich Yomi in das Gespräch ein.
»Nein. Du hast Recht. Wir werden hier bleiben, bis es dunkel ist – nur zur Sicherheit. Yonathan kann sich noch ein wenig ausruhen. Dann brechen wir auf.«
Yonathan fühlte sich plötzlich kraftlos und zerschlagen. Er fragte sich, ob er am Abend wirklich schon wieder bei Kräften sein würde. »Wie lange wird es noch dauern, bis wir dieses… Tor im Süden erreichen werden?«
Din-Mikkith wiegte den Kopf von einer Seite auf die andere. »Ich schätze, morgen früh müssten wir das Ufer des Weißen Todes erreichen. Von da an dürften es höchstens noch zwei Tagesmärsche sein.«
»Dann sind wir unserem Ziel also sehr nahe. Glaubst du, wir haben noch etwas von Sethur zu erwarten – ich meine jetzt nach dem Vulkanausbruch?«
»Da bin ich mir nicht so sicher, Kleines. Vielleicht glaubt er, der Stab liegt jetzt für alle Zeiten unter der Lava begraben – uns eingeschlossen. Aber nach allem, was ich von ihm gehört habe, ist er zwar böse, aber nicht dumm. Er wird sich überzeugen wollen, ob sein Werk Erfolg hatte.«
Yonathan horchte auf. »Sein Werk? Du meinst doch nicht etwa der Vulkanausbruch…?«
»Oh! Hatte ich etwa vergessen es zu erwähnen? Das tut mir Leid, meine Lieben. Aber es war sicher auch besser so. Ihr hättet euch nur unnötig Sorgen gemacht.«
»Unnötig?« Yomi fuhr empört dazwischen. »Wie konntest du uns in eine solche Gefahr bringen, wenn Sethur nur darauf wartete, mit den Fingern zu schnippen, um die Falle zuschnappen zu lassen?«
»Beruhige dich, Kleines. Sethurs Macht ist groß, aber nicht unbegrenzt. Die Lebenden Dinge deuteten zwar an, dass das Grollen des Glühenden Berges irgendwie unnatürlich war. Aber sie verrieten mir auch, dass wir es trotzdem schaffen könnten.«
Yomi schnappte nach Luft. »Dass wir es schaffen könnten? Heißt das etwa, du warst dir nicht mal sicher?«
»Yo«, schaltete Yonathan sich mit müder Stimme ein. »Lass es gut sein. Din wird schon gewusst haben, was er tut.«
»Danke, Kleines. Wenigstens einer, der Vertrauen zu mir hat.«
»Sei nicht so streng mit ihm, Din. Ich bin sicher, er meint es nicht so.« Yonathan blickte zu seinem blonden Freund hinüber. Vor dem schwach einfallenden Tageslicht konnte er nur erkennen, wie Yomi beleidigt, mit vor der Brust verschränkten Armen, gegen die Höhlendecke starrte. »Was mir viel größere Sorgen bereitet, ist die Macht, die Sethur zu besitzen scheint. Ich hätte nie geglaubt, dass er einen Vulkan zum Ausbruch bringen kann.«
»Du darfst nicht vergessen, dass er das Heeroberste Bar-Hazzats ist. Und beide zusammen dienen Melech-Arez. Da sind Mächte im Spiel, die unsere Vorstellungskraft bei weitem überschreiten.«
»Aber mit uns ist das Koach des Stabes Haschevet«, warf Yonathan ein.
Din-Mikkith nickte. »Das ist richtig. Vor langer Zeit sagte Goel einmal zu mir, das Koach sei ein Spiegel von Yehwohs Macht. Das Koach kann, wenn man es richtig anwendet, die Angriffe deiner Feinde wirkungslos machen.«
»Dann werden wir auch unser Ziel erreichen.« Yonathan staunte selbst über die Sicherheit, mit der er diese Worte ausgesprochen hatte.
Der Wächter im Eis
Als Yomi Yonathan weckte, hatte außerhalb der Höhle bereits die Dämmerung
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