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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sogar, der dunkle Gott Neschans, Melech-Arez, hätte Bar-Hazzat aus den eigenen Reihen seiner geisterhaften Diener ausgewählt, um wieder die uneingeschränkte Herrschaft über Neschan zurückzugewinnen. Das Land Temánah hatte sich bisher jedem Versuch, die Richtigkeit dieser Gerüchte zu überprüfen, erfolgreich widersetzt. Kein Fremder durfte es betreten. Selbst die schwarz gewandeten temánahischen Priester, die seit einiger Zeit mit Billigung des Kaisers Zirgis durch das Cedanische Reich zogen, brachten kein Licht in das verschwörerische Dunkel; sie verbreiteten nur Irrlehren.
    Die Vorstellung, dass dieser finstere Herrscher des Südreiches es auf ihn abgesehen hatte, lähmte Yonathans Gedanken.
    Benel entging dies nicht. »Sorge dich nicht, mein Bruder. Yehwoh hat dir keine Aufgabe übertragen, die du nicht bewältigen kannst. In dir steckt mehr, als du vermutest. Mache dir…«
    »Aber wie…?«, unterbrach ihn Yonathan und hielt inne, als ihm seine Respektlosigkeit zu Bewusstsein kam. »Entschuldigt, aber ich verstehe das nicht. Was steckt in mir, dass Yehwoh gerade mich ausgewählt hat?«
    »Weißt du das nicht?«
    »Wie sollte ich?«, entgegnete Yonathan. »Ich bin doch nur ein normaler Junge, nicht mehr.«
    Benel lächelte. »Nicht mehr?«, wiederholte er. »Du besitzt die Gabe der vollkommenen Liebe, Yonathan!«
    »Die Gabe der ›vollkommenen Liebe‹«, wiederholte Yonathan. »Aber wieso ich? Erst heute Abend hat Navran mir erzählt, dass alle Menschen unvollkommen sind und Fehler begehen. Wie könnte ich da eine Ausnahme bilden?«
    »Ich sagte, du besäßest die Gabe zur vollkommenen Liebe. Sie schlummert tief in dir wie ein Samenkorn, das du hegen und pflegen musst, damit es einmal zur vollen Frucht heranreift. Habe Geduld und du wirst es erleben.«
    Yonathan schüttelte langsam den Kopf. Nicht, weil er Benels Worte bezweifelte. Er begriff sie nicht. »Wie kann ich diese Gabe… wecken?«, fragte er unsicher.
    Benel lächelte. »In dem Maße, in dem du deine Aufgabe erfüllst, wird die Gabe in dir wachsen, Yonathan.« Und da der Bote Yehwohs erkannte, dass Yonathan mit dieser Antwort nicht viel anfangen konnte, fügte er hinzu: »Besiege das Böse mit dem Guten. Nur so kann das Licht über die Finsternis triumphieren. Die vollkommene Liebe ist ein Licht, das von keiner Finsternis verschlungen werden kann.«
    Yonathan fühlte, dass in Benels Worten eine tiefe Wahrheit verborgen war. Er erahnte sie, konnte sie aber nicht recht fassen. Wie sollte er es schaffen, solch schreckliche Feinde wie Sethur und Bar-Hazzat zu besiegen, mit nichts anderem als der Liebe?
    Um Yonathan Mut zu machen, sprach Benel lange auf ihn ein, und zuletzt schloss er mit den Worten: »Mache dir nicht zu viele Gedanken darüber, welche Probleme und Gefahren auftreten könnten. Bewältige jeden neuen Tag und seine Aufgaben. Sei wachsam und behalte immer einen klaren Kopf. Folge den Anordnungen Yehwohs, was immer auch geschieht. Wenn du dich daran hältst, wirst du feststellen, dass du Helfer hast, von denen der Stab Haschevet vielleicht der geringste ist.«
    Benels Worte zeigten Wirkung. Allmählich keimte wieder neue Zuversicht in Yonathan. Und die Zusicherung solch mächtiger Helfer wie Haschevet machte ihn beinahe übermütig. Was für wundersame Dinge hatte der Stab allein an diesem einen Tag bewirkt! Welche Taten könnte er nicht noch damit vollbringen!
    Das Abenteuer reizte ihn, ungeachtet der damit verbundenen Gefahren.
    »Sagt mir bitte, Herr, wann muss ich abreisen, wenn ich nicht das Schiff des Boten Goels nehmen kann?«
    »Es ist bereits für alles gesorgt«, entgegnete Benel. »Du wirst ein anderes Schiff nehmen. Es verlässt morgen Kitvar.«
    »Morgen?«
    »Morgen.«
    Yonathan schluckte. Dieser Benel legte ein beängstigendes Tempo an den Tag. Tausend halb fertige Gedankenbilder schossen ihm durch den Kopf. Er setzte sich auf die Bettkante und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Am liebsten wäre er aufgesprungen, da aber Benel in all seinem Ehrfurcht gebietenden Glanz neben dem Bett stand, blieb er doch lieber sitzen und stammelte nur: »Ich muss noch so viel… darf nichts vergessen…«
    »Was musst du noch alles tun und was darfst du nicht vergessen, Yonathan?«
    »Nun… meine Sachen… die Reise ist so lang.«
    »Es gibt nur eines, das du unter keinen Umständen vergessen darfst.« Benels Gesicht war sehr ernst, als er dies sagte.
    »Was meint Ihr, Herr?«, fragte Yonathan.
    »Den Stab, Yonathan. Den musst

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