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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Spross genommen werde.‹
    Während er diese Worte rief, stieß Goel den Stab Haschevet in die Erde. Was dann geschah, entsprach nicht ganz den Erwartungen Goels: Der Erdboden entriss ihm den Stab und verschlang ihn. Der Richter stand mit leeren Händen da, während Grantor und seine Armee sich vor Lachen bogen. Doch dann begann die Erde zu zittern und ein Grollen wie unterirdischer Donner war zu hören. Goel wollte entsetzt fliehen, aber die Hochebene begann heftig zu beben, dass es sowohl Goel als auch Grantor und seine Streiter von den Beinen riss. Aus dem Erdloch, in dem der Richterstab verschwunden war, stieg ein gewaltiger Wirbelsturm empor, der Grantor und seine gesamte Armee wie trockenes Laub emporriss und sie zum offenen Meer davontrug. Nie wieder wurde einer von ihnen gesehen.
    Sodann stieg eine zweite Windhose aus dem Erdloch auf, ergriff den Richter und trug auch ihn fort. Goel verlor die Besinnung und erwachte erst wieder im Garten der Weisheit, dem Ausgangspunkt seines Feldzuges.«
    Navran erhob sich vom Tisch und sah nach dem Feuer.
    »Eines ist mir nicht klar«, sagte Yonathan nachdenklich. »Warum hat Yehwoh Goel den Stab weggenommen?«
    »Denk nach, Yonathan. Was genau sagte Goel? ›Hier stehe ich, ich werde das Blut von deiner Hand fordern und ich rufe den Sturm herbei.‹«
    Yonathan nickte. »Ich verstehe, was du meinst. Goel sprach in eigenem Namen, obwohl es doch die Macht Yehwohs war, die Grantor und seine Horden besiegte.«
    »Richtig, mein Junge. Er hätte in Yehwohs Namen handeln sollen. Yehwoh sandte später einen Boten zu Goel, der folgende Botschaft überbrachte.« Navran schloss die Augen, um sich den genauen Wortlaut in den Sinn zu rufen. »›Weil du dir Macht zugesprochen hast, die du nie besessen, wird dir das Richtertum genommen und du wirst sterben wie jeder andere Mensch auf Neschan.‹
    Goel erkannte seinen Fehler, zerriss sein Obergewand und häufte Asche auf sein Haupt. Ja, Goel zeigte Reue über seine Tat und so sandte ihm Yehwoh einen zweiten Boten: ›Ich habe deine Reue gesehen, Goel‹, lautete dessen Nachricht, ›und deine Verfehlungen sind dir vergeben. Du wirst den Garten der Weisheit nie mehr verlassen. Doch ich lasse dir die Weisheit, damit du Recht sprechest unter meinen Dienern. Auch wirst du deinen Nachfolger Geschan ausbilden dürfen. Ihm wirst du den Stab Haschevet übergeben, den du wieder sehen sollst, wenn deine Tage voll sind. Und Geschan wird in meinem Namen Gerechtigkeit und Frieden für alle Völker Neschans ausrufen.‹ So kam es, dass in den ungefähr zweihundert Jahren, die seither vergangen sind, kaum jemand den Richter zu Gesicht bekommen hat. Doch Goel ließ in Ganor die Schule der richterlichen Boten, der Charosim, errichten. So gibt es immer vierzig Boten, die den Garten der Weisheit betreten können
    und Goels weisen Rat und seine Urteile dem Volk von Neschan verkünden.«
    Die letzten Worte Navrans hatte Yonathan kaum noch aufgenommen. Seine Gedanken gingen im Kreis. Ehe er seineÜberlegungen ausdrücken konnte, fragte Navran: »Du willst wissen, wie der Stab Haschevet dem siebenten Richter übergeben werden kann, wenn er doch hier in Kitvar in deinen Händen ruht?«
    »Kannst du meine Gedanken lesen?«, antwortete Yonathan erstaunt.
    »Manchmal schon«, erwiderte Navran lächelnd. »Ich fürchte, Yonathan, du bist jetzt nicht mehr derselbe, der du noch vor zwei Tagen warst. Von nun an bist du ein Auserwählter, ein Bote Yehwohs. Er hat dich bestimmt, Haschevet in den Garten der Weisheit zu tragen und ihn Goel zu übergeben.«
    Yonathan war nicht wohl bei dem Gedanken. Natürlich liebte er Yehwoh. Aber dass er gerade ihn für eine so überaus wichtige Aufgabe ausgewählt haben sollte, das konnte er noch nicht recht glauben.
    »Wirst du denn mit mir kommen?«, fragte er unsicher.
    Navran legte seine Hand auf die des Jungen. »Ich fürchte, du wirst ohne mich auskommen müssen. Aber mach dir keine Sorgen. In drei Wochen – wenn wieder Großer Markttag ist – wird das Schiff des Boten Goels in Kitvar eintreffen. Wenn er den Stab Haschevet sieht, wird er dich auf dem schnellsten Wege und sicher zum Garten der Weisheit bringen.«
    Yonathan murmelte widerstrebend Zustimmung. Noch nie hatte er sich weiter als drei Tagesreisen von Kitvar entfernt und so war ihm eine Reise über Tausende von Meilen nicht ganz geheuer.
    Doch der alte Navran Yaschmon sagte mit fester Stimme: »Gut, dann ist ja alles klar. Drei Wochen dürften ausreichen, um die große

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