Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Fahrt vorzubereiten. Da bleibt uns noch genügend Zeit. Jetzt leg dich erst mal schlafen; du wirst müde sein.«
     

Der Bote
    Yonathan war bis jetzt viel zu aufgeregt gewesen, um Müdigkeit zu spüren, aber er zog sich nach dem Essen bereitwillig zurück. Die kleine Fischerhütte verfügte nur über einen einzigen Nebenraum. Hier stapelten sich Vorräte und Gerätschaften, dass man die zwei Betten leicht übersehen konnte.
    Als Yonathan sich auf dem Nachtlager ausstreckte, rollte die Erschöpfung wie eine warme Meereswoge über ihn hinweg. Die Glieder wurden ihm so schwer, als würde nicht Blut, sondern flüssiges Blei in seinen Adern pulsieren. Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Zu viele Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf.
    Er hörte, wie sich auch Navran wenig später zu Bett begab und in kürzester Zeit verriet der Atem des Alten, dass er fest schlief. Blicklos starrte Yonathan gegen die Decke, die rechte Hand auf dem Stab Haschevet, der neben ihm lag. Er fühlte die Kühle und die Formen des goldenen Knaufs. Es gab so viele Fragen! Doch alles, was er wusste, war, dass er ganz allein eine weite Reise unternehmen sollte. Das Mondlicht, das durch das kleine Fenster in die Schlafkammer fiel, schien alle Gegenstände taghell zu erleuchten. Er wollte endlich schlafen. Yonathan schloss die Augen. Heute würde er doch keine Antwort auf seine Fragen mehr finden.
    Doch dann wich die wohltuende Dunkelheit unter seinen Lidern plötzlich einem goldgelben Glanz, als würde man mit geschlossenen Augen in die Sonne blicken. Yonathan ließ vor Schreck den Stab los und riss die Hand hoch, um seine Augen zu beschirmen. Während er sich aufsetzte, lugte er vorsichtig zwischen den Fingern hindurch.
    Das konnte nur ein Traum sein. Vor seinem Bett stand ein stattlicher Mann: vielleicht sechs Fuß groß, mit kurzen, welligen, schwarzen Haaren und strahlend blauen Augen; sein weites, anscheinend aus einem einzigen Tuch bestehendes, schneeweißes Gewand erschien fremdländisch.
    Das Gesicht des Mannes sah sehr freundlich aus; er lächelte sogar. Aber ein seltsames Licht ging von diesem Besucher aus. Dieser Schein war übernatürlich! Nichts, was Yonathan kannte, hatte diesen Glanz. Also träumte er doch.
    »Das tust du nicht, Yonathan. Du bist zwar sehr müde, aber träumen tust du nicht.«
    Das konnte nicht wahr sein! Yonathan wartete, die Hände vor den Augen.
    »Findest du es höflich, die Augen zu bedecken, wenn du Besuch hast?« Die Stimme des Besuchers klang belustigt.
    Es half alles nichts. Der Fremde war nicht wegzuwünschen. »Wer seid Ihr? Woher kennt Ihr meinen Namen?«, fragte Yonathan und nahm zögernd die Hand von den Augen und er schaute in das freundlich lächelnde Gesicht des Mannes.
    »Du kannst mich Benel nennen. Und ich kenne dich schon sehr lange, länger als deine Träume währen.«
    »Ihr habt mir zwar Euren Namen gesagt,… Benel«, Yonathan sprach den Namen langsam und bedächtig aus, als müsse er sich an seine Aussprache erst noch gewöhnen, »aber sagt mir bitte: Wer… oder was seid Ihr?«
    »Ich bin ein Bote Yehwohs«, antwortete Benel leichthin, als sei er Fischer, Bauer oder Schmied. Dann fügte er ernst hinzu: »Ich bin zu dir gesandt worden, um dich zu warnen, Yonathan!«
    »Mich zu warnen?«
    »Yehwoh hat dich zum Träger Haschevets ausersehen. Wie dir Navran bereits erklärte, ist es deine Aufgabe den Stab in den Garten der Weisheit zu bringen, um ihn dort an Goel zu übergeben.«
    Erst jetzt fiel Yonathan auf, dass Navran trotz der Unterhaltung in dem hell erleuchteten Raum noch immer schlief.
    »Er kann uns nicht hören«, versicherte der Bote Yehwohs. »Aber zurück zu deinem Auftrag. Du bist nicht länger sicher in Kitvar. Sethur, der Heeroberste Bar-Hazzats, ist mit einer Flotte von drei Schiffen auf dem Weg hierher. Er kommt deinetwegen oder sagen wir besser: des Stabes wegen. Bar-Hazzat will Haschevet um jeden Preis haben, weil er verhindern will, dass sich die Prophezeiung erfüllt – der siebente Richter Neschans soll nach Bar-Hazzats Willen niemals sein Amt antreten.«
    Ein Schauer lief Yonathan über den Rücken. Von Sethur wusste er nicht viel, aber Bar-Hazzat kannte jedes Kind auf Neschan. Der jetzige Herrscher des dunklen Landes Temánah stand in dem Ruf, noch schrecklicher zu sein als sein Vorgänger. Grantor war ein böser Mensch gewesen, der alles Schlechte in sich vereinte. Von Bar-Hazzat aber sagte man, dass nichts Menschliches mehr an ihm sei. Einige behaupteten

Weitere Kostenlose Bücher