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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Großvater den Heimleiter an. »Wenn meine Informationen richtig sind, dann bin ich gerade rechtzeitig gekommen, um eine öffentliche Demütigung meines Enkels zu verhindern. Wollen Sie etwa behaupten, dass dies keine Maßnahmen sind?« Die Stimme des alten Lords wurde jetzt drohend.
    »Vielleicht waren wir etwas vorschnell«, lenkte Sir Malmek ein. Pastor Garson nickte eifrig und einige Schweißtropfen fielen von seiner Glatze auf den Teppich. »Nichtsdestotrotz«, versuchte der Internatsleiter einen letzten Vorstoß, »geht es hierbei um die Disziplin. Es kann nicht angehen, dass ein Schüler die Kompetenz eines Lehrers durch unreife, unausgegorene Einwürfe untergräbt.«
    Abermals ein eifriges Kopfnicken des Pastors.
    »Disziplin ist wichtig, Sir Malmek. Darin gebe ich Ihnen Recht.« Die Stimme Lord Jabboks klang jetzt wieder ruhiger. »Aber bedenken Sie, dass Sie keine Truppe befehligen. Ihre Schutzbefohlenen sind Schüler. Kinder! Was die ›unreifen‹ und ›unausgegorenen Einwürfe‹ betrifft, kann sich dies doch wohl nur auf Anmerkungen beziehen, die im Gegensatz zu den Lehrbüchern stehen.«
    Pastor Garson nickte wieder.
    »Welches, Pastor Garson, ist Ihrer Meinung nach das Buch mit der größten Autorität?«
    »Die Bibel, selbstverständlich. Wir sind ständig auf der Suche nach Erkenntnis und Weisheit aus dem Wort Gottes.«
    »Gut. Und worauf stützten sich die Fragen und Einwürfe, mit denen mein Enkel Ihre Kompetenz in Sachen Höllenlehre ›untergraben‹ hat?«
    Pastor Garson schluckte und blickte Sir Malmek Hilfe suchend an.
    »Nun?«, drängte Lord Jabbok.
    »Auf die Bibel!« Pastor Garson Stimme klang schon fast verzweifelt.
    »So, so«, sagte Jonathans Großvater in gespielter Nachdenklichkeit und fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Lassen Sie mich einmal die Fakten wiederholen: Sie sagen also, die Bibel sei Ihr Hauptlehrbuch. Und da kommt doch einer dieser Schüler und zeigt Ihnen anhand dieses Buches, dass Ihre ganze schöne Zentrallehre durch nichts in Ihrem Hauptlehrbuch gestützt werden kann. Die einzige Antwort, die Sie darauf haben, ist nicht etwa eine Richtigstellung auf der Grundlage der Bibel, sondern der Verweis des Schülers auf seine Kammer, von wo aus er Ihnen keine weiteren unbequemen Fragen mehr stellen kann.« Lord Jabbok verharrte einen Augenblick »Ich frage mich, ob dies nicht die gleichen Methoden sind, mit denen die Kirche schon vor Jahrhunderten Andersdenkende zum Schweigen brachte – es fällt mir schwer das zu sagen, denn ich selbst gehöre dieser Kirche an. Einer unserer Dramatiker – ich glaube es war D. W. Jerrold – hat einmal gesagt: ›Die Religion hat man im Herzen, nicht in den Knien.‹ Es würde Ihnen gut zu Gesicht stehen, auch ein wenig in diesem Geiste zu denken, und vor allem zu handeln. Sollten Sie allerdings auf Ihrem Standpunkt bestehen wollen, meine Herren, dann wird es wohl das Beste sein, wenn ich meinen Enkel von dieser Schule nehme und seine Erziehung geeigneteren Händen anvertraue.«
    Bestürzung zeichnete sich auf den Gesichtern der beiden Lehrkräfte. Nicht nur, dass Lord Jabbok ihnen schwer widerlegbare Argumente aufgetischt hatte, obendrein drohte er auch noch den Geldhahn zuzudrehen. Das war zu viel!
    »Ich bin sicher, es gibt eine Möglichkeit die Angelegenheit auf eine für alle Beteiligten zufrieden stellende Weise zu regeln«, beschwichtigte Sir Malmek eilfertig.
    Jonathans Großvater gab sich unentschlossen, fragte dann aber doch: »Wie könnten Sie sich eine derartige Regelung vorstellen, Sir Malmek?«
    »Nun, Ihr habt schon mehrmals darum ersucht, Euren Enkel vom Religionsunterricht zu befreien. Bisher hat die Schulleitung dies immer abgelehnt – es hat noch nie solch einen Fall gegeben. Im Lichte der neuesten Ereignisse könnte ich mir allerdings vorstellen, dass die Entscheidung der Schulleitung zugunsten Eures Enkels ausfallen würde.«
    »Also darf ich die Angelegenheit damit als erledigt betrachten?«
    »Selbstverständlich.« Sir Malmek lächelte verbindlich.
    »Und was ist mit dem Tadel und der schlechten Note?«
    »Für ein Schulfach, an dem man nicht teilnimmt, kann man weder Tadel noch schlechte Noten sammeln«, meinte Sir Malmek in verschwörerischem Ton.
    »Ich sehe, dass wir uns einig sind«, beendete der Lord das Gespräch, ehe der Heimleiter zu vertraulich werden konnte. »Sie werden sicher nichts dagegen haben, wenn ich mich jetzt mit meinem Enkel zurückziehe. Wir sehen uns später noch.«
    Lord Jabbok wartete

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