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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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die Antwort gar nicht erst ab, sondern fasste Jonathans Rollstuhl bei den Griffen und schob ihn samt Enkelsohn aus dem Raum.
    Endlich waren sie unter sich. Während Jonathan im Rollstuhl vor dem Bett saß, versuchte der stattliche Lord auf dem einzigen Stuhl eine bequeme Stellung zu finden.
    »Bist du mit deinem alten Großvater zufrieden?«
    »Einerseits ja«, erwiderte Jonathan, »aber andererseits – ich weiß nicht so recht.«
    »Du befürchtest, dass Sir Malmek zwar vor mir nachgegeben hat, aber seinen Unmut später an dir auslassen könnte?«
    »Ja, ich glaube, so ist es.«
    »Da kann ich dich sicher beruhigen, mein Sohn.« Jonathans Großvater fuhr sich mit dem Zeigefinger über den Bart und lächelte. »Die beiden Herren haben heute nicht nur nachgegeben, weil sie sich meine Spendenfreudigkeit erhalten wollten. Sie haben eine Niederlage erlitten – auch wenn sie das nie offen zugeben würden.«
    »Ich bin dir wirklich sehr dankbar, Großvater; dafür, dass du zur rechten Zeit da warst und auch dafür, dass du mir geholfen hast.«
    »Du weißt, dass ich kein Unrecht ertragen kann«, Jonathans Großvater bemühte sich, nicht sentimental zu klingen, »und schon gar nicht, wenn es meinen Enkelsohn trifft. Und jetzt Schwamm drüber. Kommen wir zu einem anderen Thema.« Den Rücken gerade wie ein Gehstock, die Handflächen auf die Oberschenkel gelegt, eröffnete er: »Was würdest du davon halten, schon bald wieder zu mir nach Bridge of Balgie zu ziehen?«
    Jonathan war sprachlos. Damit hatte er nicht gerechnet.
    »Warum sagst du denn nichts, mein Junge? Gefällt dir mein Vorschlag nicht?«
    »Doch, doch!«, versicherte Jonathan. Er hatte sich in dem Knabeninternat nie heimisch gefühlt – welcher Junge tat dies schon wirklich? Nach dem Tod seines Vaters, bevor er in das Internat nach Loanhead umgezogen war, hatte Jonathan ungefähr sechs Wochen auf dem Anwesen der Familie im schottischen Hochland zugebracht. In dieser kurzen Zeit hatte er tiefe Zuneigung zu dem alten Mann gefasst.
    Vor Freude wäre er am liebsten in die Luft gesprungen – wenn er nur gekonnt hätte. »Wann wird es so weit sein, Großvater? Wann kann ich nach Hause kommen?«
    »Ein wenig musst du dich schon noch gedulden. Erst einmal wirst du mich zu Weihnachten besuchen und mir beibringen, wie man starrköpfige Pfaffen aus der Fassung bringt.« Jonathans Großvater grinste. »Aber endgültig wird es dann im nächsten Frühjahr so weit sein, wenn das jetzige Schulhalbjahr abgelaufen ist. Dann wirst du für immer nach Jabbok House ziehen.«
    Jonathan war ein wenig enttäuscht. »Warum kann ich nicht schon eher zu dir kommen, Großvater?«
    »Dafür gibt es verschiedene Gründe, Jonathan. Die kleine Schule in Bridge of Balgie bekommt erst im Frühjahr einen neuen Lehrer, Dr. Gwyndale. Von ihm sollen jetzt auch ältere Kinder eine vernünftige Ausbildung erhalten. Man spricht in den höchsten Tönen von dem jungen Mann. Außerdem wäre es nicht weise, dich im laufenden Schuljahr von dem Internat zu nehmen. Du solltest den begonnenen Lehrstoff abschließen.«
    Jonathan sah dies ein, wenn auch widerwillig. Auf jeden Fall würde er diesem ungeliebten Heim bald für immer den Rücken kehren. Er würde eine kleine Schule mit Kindern normaler Leute besuchen, ganz wie in Portuairk. Vor allem aber würde er schon in wenigen Wochen fest bei seinem Großvater wohnen und mit ihm über all das reden können, was ihm am Herzen lag.
    Unternehmungslustig sagte er: »Nun ist der Tag doch viel besser geworden, als es heute Morgen ausgesehen hat.«
     
     
     

V.
Der Aufbruch
     

Eine unerwartete Einladung
     
    Prasseln drang an Yonathans Ohr. Das Bett war angenehm warm. Schlaf und Erwachen rangen in ihm um Oberhand. Was war das für ein lästiges Geräusch? Es klang nach einem heftigen Sommerregen, der in dicken Tropfen über dem Land niederging. Doch nein, irgendetwas stimmte nicht an diesem Regenguss. Einen starken Regen konnte man nicht nur hören, sondern auch fühlen und natürlich sehen. Nun wäre es ein Leichtes gewesen die Augen zu öffnen und aus dem Fenster zu schauen. Aber vor dieser letzten Konsequenz schreckte Yonathan zurück. Nein, es musste möglich sein auch anders hinter die Ursache des Geräuschs zu kommen.
    »Yonathan, nun steh schon auf, sonst werden die Eier kalt!« Spiegeleier! Natürlich! Dass er nicht selbst darauf gekommen war! Bratende Eier konnten, wenn das Geräusch sich erst seinen Weg durch Türen oder Wände bahnen musste, genauso

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