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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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seinetwegen Schwierigkeiten bekam.
    Kaldek saß an einem mächtigen Eichentisch, der in der Mitte eines großen Raumes stand, und brütete über Seekarten. DieKapitänskajüte war mit Öllampen beleuchtet, weil das Wetterdas Öffnen der hinteren, glaslosen Lichtluken nicht zuließ. An einem Haken, dicht bei einer dieser Luken, baumelte Zirahs Behausung. Der Vogel glich jedes Schwanken von Schiff und Käfig mit kaum wahrnehmbaren Bewegungen aus, sodass er scheinbar regungslos in seiner bewegten Umgebung verharrte. »Da ist ja unser Goldstück«, krächzte er bei Yonathans Eintreten. Zirahs Worte wollten so gar nicht zu dem bösen Blick passen, der sich sogleich aus leuchtenden Schlangenaugen auf den Ankömmling heftete.
    Kaldek schaute von seinen Karten auf und wedelte mit dem Arm. »Kommt nur herein, mein junger Freund«, rief er freundlich. Beim Anblick von Yonathans triefendem Mantel fügte er schmunzelnd hinzu: »Ihr wollt wohl mit aller Gewalt ein Hochsee erprobter Seemann werden.«
    »Ich wollte nur ein bisschen ungestört nachdenken«, entschuldigte sich Yonathan.
    »Ungestört? Meint Ihr, bei diesem Sturm ist an Deck der richtige Platz dafür? Was bewegt Euch denn so Wichtiges, dass Ihr Euch an einen solchen Ort zurückziehen müsst?«
    »Es ist nur, ich bin das erste Mal allein auf so großer Fahrt…«
    »Höre ich da etwa Heimweh heraus? Schon nach dem ersten Tag?«, fragte der Kapitän amüsiert.
    »Nein, nein, kein Heimweh, es sind nur so viele Dinge, die auf mich einstürmen.«
    »Nun hängt endlich Euren nassen Mantel auf und kommt zu mir«, sagte er in befehlsgewohntem Ton. »Ich möchte Euch etwas erklären.«
    Kaldek erläuterte anhand der Seekarte die geplante Reiseroute. »Bei gutem Wind würde uns unser Kurs von Kitvar aus etwa sechs Tage lang in südwestlicher Richtung an die Küste des Verborgenen Landes führen. Die jetzigen Windverhältnisse zwingen uns jedoch einen anderen Kurs auf. Wir werden uns zunächst in südlicher Richtung halten, so haben wir den Wind von steuerbord und kommen einigermaßen gut voran.«
    »Auf diesem Kurs, so nahe der Küste, gibt es gefährliche Untiefen. Sollten wir nicht mehr Seeraum gewinnen, damit wir nicht irgendwo auf Grund laufen oder vom Wind gegen die Küste gedrückt werden?«, fragte Yonathan.
    Kaldek blickte von der Karte auf und musterte Yonathan erstaunt. »Ihr wisst, scheint’s mir, recht viel über die hiesigen Gewässer«, meinte er anerkennend.
    Yonathan zuckte mit den Schultern. »Man lernt so einiges.«
    »Nun, meine Männer und ich fahren schon seit einiger Zeit zur See, sodass es uns wohl gelingen wird, einen ausreichenden Abstand zur Küste einzuhalten.«
    »Und was geschieht, wenn wir das Ewige Wehr erreicht haben und das Wetter sich noch immer nicht gebessert hat? Es soll dort gefährliche Strömungen und starke Tiden geben. Hinzu kommen die hohen Klippen, von denen oft unberechenbare Fallwinde herabwehen und jedes Segelmanöver unmöglich machen. Ein Schiff, das im Osten und im Süden keinen Seeraum mehr hat, könnte schnell in einer Falle sitzen, aus der auch ein erfahrener Seemann kaum mehr herausfindet.«
    »Bis dahin wird noch eine gute Woche vergehen. Ein Sturm kann genauso schnell abflauen, wie er gekommen ist.« Kaldeks Stimme klang ein wenig barsch, ob dieser Belehrung durch seinen jugendlichen Gast. Doch dann grinste er wieder schief. »Die See ist wie eine Frau – man weiß nie, was sie im nächsten Augenblick tun wird. Aber davon verstehst du ja noch nichts.«
    Yonathan konnte Kaldeks Optimismus nicht teilen, schwieg jedoch, um den erfahrenen Schiffsführer nicht noch mehr zu verärgern.
    »Jetzt muss ich aber an Deck und nach dem Rechten schauen«, bemerkte Kaldek unvermittelt – vielleicht hatten Yonathans besorgte Bemerkungen ihn doch ein wenig nachdenklich gemacht. »Die Männer müssen ihren Kapitän von Zeit zu Zeit sehen, sonst verfallen sie dem Müßiggang. Ihr könnt so lange hier bleiben und Euch ins Logbuch einlesen, wenn Ihr wollt. Ich werde jemanden schicken, der Euch etwas Warmes zu trinken und zu essen bringt. Macht es Euch derweilen bequem. Ich bin bald wieder zurück.«
    Yonathan hatte keine Gelegenheit zu antworten. Der Kapitän war schon verschwunden.
    Nun war Yonathan allein in der Kapitänskajüte, allein bis auf Zirah. Er blickte misstrauisch zu dem Vogel hinüber, der regungslos in dem hin und her schaukelnden Käfig hockte und ihn beobachtete. Die Augen des Tieres leuchteten im Halbdunkel der Kajüte wie

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