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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Koch gesagt, er soll ihn nicht zu stark machen. Das wird dich aufwärmen. In dem Topf hier ist Gemüsesuppe. Ich würde sie essen, solange sie heiß ist.«
    »Isst du nichts?«, fragte Yonathan.
    »Nein, danke«, sagte Yomi. »Ich habe zum Frühstück ziemlich zugelangt; so lange ist es ja noch nicht her.«
    Nachdem Yonathan gegessen und getrunken hatte – der gewürzte Wein erfüllte ihn mit einer wohligen Wärme und mit einem eigenartigen Gefühl der Leichtigkeit –, ging es ihm besser. »Sag mal, Yo, was ist eigentlich deine Aufgabe hier auf dem Schiff?«
    Yomi lächelte ihn an. »Das ist ziemlich schwer zu erklären«, erwiderte er. »Ich glaube, ich bin so eine Art Mädchen für alles.«
    »Bist du für einen Schiffsjungen nicht schon zu alt?«
    »Eigentlich schon, aber meine Stellung hier an Bord ist etwas verzwickt. Ich bin so etwas wie der Sohn von Kapitän Kaldek und doch bin ich es wieder nicht.«
    »Meinst du damit, du bist so eine Art Adoptivsohn vom Kapitän?«
    Yomi zuckte die Achseln. »Ich glaube, er sagte mal, dass er jetzt offiziell mein Vormund sei… «
    »Wie kam es denn dazu, dass sich der Kapitän deiner angenommen hat?«, wollte Yonathan wissen.
    Yomis Gesicht verdüsterte sich. Bittere Erinnerungen spiegelten sich darin. »Es ist schon lange her«, erwiderte er bedrückt. »In diesem Sommer waren es zehn Jahre. Ich bin damals erst zwölf gewesen und lebte mit meinen Eltern in Darom-Maos.«
    »In der Südfeste«, übersetzte Yonathan den alten Namen. »Ist das nicht die südlichste Hafenstadt des Cedanischen Reiches, unmittelbar an der Grenze zu Temánah?«
    Yomi nickte.
    »Wenn ich mich recht erinnere, wurde Darom-Maos vor genau zehn Jahren von den kriegerischen Horden Bar-Hazzats überfallen und völlig vernichtet.«
    Yomi schaute gequält. Die Erinnerung schnürte ihm Herz und Kehle zusammen.
    »Ich fürchte, ich kann mir schon denken, was dann passiert ist«, sagte Yonathan mitfühlend. Er legte den Löffel aus der Hand und griff nach Yomis Unterarm. »Wenn du nicht darüber sprechen willst, dann lass es gut sein, Yo.«
    »Nein, nein«, erwiderte der junge Mann kopfschüttelnd. »Vielleicht hilft es mir, wenn ich darüber spreche. Außer mir kennt bisher nur Kaldek meine Geschichte. Aber ich glaube, ich kann dir vertrauen.«
    Yomi schien noch einmal seine Gedanken zu ordnen und fuhr dann fort: »Es war Sommer. An diesem Morgen war die Sonne noch nicht aufgegangen, da wurde ich durch ziemlich laute Rufe und Schreie geweckt. Bar-Hazzats Horden hatten die nicht sehr starken Befestigungen von Darom-Maos im Nu überrannt und stürmten brennend und plündernd durch die Straßen der Stadt. Mein Vater hatte bereits das Haus verlassen. Er war Hafenmeister und ging oft schon vor Sonnenaufgang zum Hafen hinab. Meine Mutter drückte mir einen Krug Milch in die Hand und versteckte mich in dem kleinen Stall, wo es eine Falltür im Boden gab.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange ich in dem Loch saß und wartete. Meine Mutter hatte mir gesagt, ich dürfe keinen Mucks von mir geben, damit mich die Männer nicht fänden. So hörte ich, wie draußen der ungeheure Lärm immer näher kam, schreckliche Schreie von Menschen und Tieren, lautes Krachen und das Prasseln von Flammen. Ich zitterte und weinte – trotz der Warnung meiner Mutter. Aber es hörte mich niemand. Einmal war der Lärm direkt über mir. Doch dann entfernten sich die Geräusche wieder. Es wurde stiller und stiller.
    Als ich endlich mit Mühe die Falltür anhob und aus der Grube kletterte, bot sich mir ein schrecklicher Anblick. Ich werde ihn mein ganzes Leben lang nicht vergessen. Das, was von unseren vier Ziegen noch übrig war, lag im Stall und im Hof verteilt – sie waren einfach abgeschlachtet und liegen gelassen worden. Auch das kleine Kitz, das Sirma erst eine Woche zuvor geworfen hatte, war tot – sie hatten ihm den Kopf abgeschnitten. Überall war Blut. Sogar in unserem Haus. Dort mussten sie meine Mutter ermordet haben. Es war alles ziemlich schlimm.
    An das Folgende erinnere ich mich nur noch schemenhaft. Ich rannte schreiend und weinend zum Hafen hinunter. Ich wollte meinen Vater finden. Doch ich fand nur Verwüstung. Und Tote. Ungeheuer viele! So schnell die Plünderer auch hindurchgezogen waren, sie hatten ihr Werk doch gründlich verrichtet. Am Hafen war es genauso. Auch dort brannten Schiffe. Meinen Vater konnte ich nicht finden… aber so genau habe ich mir die Toten auch nicht angesehen.«
    Yomi schwieg, den Tränen

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