Nessie und die Geister der MacLachlan
Treppenaufgang überfiel Cedric ein eigenartiges Gefühl. Wenn ich jetzt hinaufgehe, dachte er sich, und oben sitzt einer in der Uniform des 42. Hochlandregiments auf der Truhe, dann ist das zuviel für meine schwachen Nerven. Er tat deshalb so, als wäre ihm ein Schnürsenkel von seinen Halbschuhen aufgegangen und bückte sich.
Goody stieg indes ahnunglos die Treppe hoch, die jetzt, wo es dunkel war, wesentlich lauter knarrte und ächzte. Als sie oben war, fragte sie noch immer ahnungslos nach dem Lichtschalter. Cedric rief ihr zu, daß er rechts sei, gleich rechts um die Ecke.
Jetzt wurde es oben hell, und der Schrei, den er erwartet hatte, blieb aus. Also kam Cedric die Treppe hochgerannt und lief sofort in sein Zimmer.
„Ruf mich, wenn du im Bad fertig bist“, bat er, dann schloß er das Fenster, das vom Nachmittag her noch offenstand. Draußen regnete es nun, und so sehr er auch das Fernglas an sein rechtes Auge drückte und daran herumdrehte — die Nacht war so dunkel, daß er draußen nichts erkennen konnte. Nicht einmal das Wasser des Lochs schimmerte etwas heller.
Als ihn Goody rief, lief Cedric wie ein Irrer, ohne auch nur einen Blick zur Truhe zu werfen, ins Bad, wischte mit dem feuchten Lappen kurz über sein Gesicht, kitzelte hernach mit der Zahnbürste sein Zahnfleisch und raste wieder in sein Zimmer zurück. Ein Glück, daß der Schlüssel an der Innenseite des Schlosses steckte. Er rief noch mal „gute Nacht, Goody“ auf den Flur hinaus, schloß die Tür sofort und drehte den Schlüssel zweimal um. Es ist wichtig, diese Tatsache festzuhalten. Er drehte den Schlüssel zweimal um, und nicht nur das, er prüfte auch, ob die Tür verschlossen sei. Sie war es. Dann warf er sich auf den Boden, was in diesem Fall keine Turnübung war, er wollte lediglich sehen, ob sich nichts unter dem Bett befand. Der geschrubbte Bretterboden war sauber, auch unter dem Bett fand sich keine einzige Staubfluse, was ihn nicht so sehr beruhigte wie die Tatsache, daß unter dem Bett auch kein Hochländer lag mit dem Black Watch-Tartan-Kilt, der 1739 dem 42. königlichen Hochlandregiment zugeteilt worden war.
Durch den Regen und die kühle feuchte Luft draußen war die Bettwäsche ein wenig klamm, aber Cedric rollte sich unter der warmen Wolldecke ein und hörte Mac Punch nicht mehr, der vor der Tür fragte, ob drinnen alles okay sei.
Nachts, Cedric wußte nicht, wie spät es war, wachte er auf. Ein Geräusch hatte ihn geweckt, und als er jetzt ins Dunkel lauschte, war es wieder da. Ein Plätschern und Schnaufen, Klatschen und Rauschen, als wäre ein Planschbecken für Nilpferde in unmittelbarer Nähe. Das ging eine ganze Weile so, ein richtiges Wellenrauschen, und dann das Aufplatschen eines schweren Körpers, immer und immer wieder. Cedric schlich aus dem Bett zum Fenster hin, öffnete es einen Spalt, aber da war kein Wind, man hörte nur den Regen fallen, der wie mit einem Seufzen die Erde berührte. Endlich wagte er sich auch zur Tür, und da gab es keinen Zweifel: Das Geräusch war im Haus und mußte aus dem Badezimmer kommen. Wenn er nicht zu großen Schiß vor Allan Campbell MacLachlan auf dieser Truhe gehabt hätte, wäre es jetzt wohl das beste gewesen, die Tür zu öffnen und auf dem Flur nachzuschauen und vielleicht auch Mac zu wecken, der morgen — o Gott — nicht mehr da sein würde. Aber jetzt, mitten in der Nacht, nach den Erlebnissen des Ankunftstages den Mut aufzubringen und hinauszugehen, nein, das war nicht Cedrics Sache.
Er schlich in sein Bett zurück und ringelte sich wieder in die warme Decke. Er war müde. Und die Geräusche waren noch zu hören. Dazu ein unheimliches Huuch, Huuuch. Im Einschlafen nahm er sich vor, morgen Goody zu fragen, welche Geräusche ihr Vater beim Baden verursache. Dann schlief er schon wieder und konnte daher nicht sagen, wie lange dieses Getöse im Badezimmer gedauert hatte.
Er wachte übrigens noch einmal auf. Diesmal hatte ihn jedoch kein Lärm geweckt, sondern etwas ganz anderes. Ihm war plötzlich zu warm unter der Decke, und als er sie von sich warf, berührte er etwas, was vorher mit Sicherheit nicht im Bett gewesen war. Es war ein warmes Fell. Als er es nach längerer Zeit wieder anzugreifen wagte, stellte er fest, daß unter dem Fell ein Tier war, das atmete. Es erleichterte ihn, daß sich das Tier die Berührung gefallen ließ. Eine Katze, war sein erster Gedanke, aber das Tier schnurrte nicht, und das hätte eine Katze in dieser Lage wohl getan. Auch die
Weitere Kostenlose Bücher