Nessie und die Geister der MacLachlan
Badezimmer auch die Brause gut aufgehängt und den Hebel nach unten gestellt?“
„Ja, natürlich. Übrigens, magst du Vogelgesang?“
„Es geht, Kindchen.“
„Zu Hause hab ich ein Bandgerät, da nehme ich manchmal Vogelstimmen auf.“
„So, so. Willst du vielleicht auch Rührei und Speck, Liebes?“
„Nein, danke. Tante Jessie, du hast nicht zufällig ein Tonbandgerät?“
„Ich? Nein! Was sollte ich denn damit aufnehmen, das Vogelgezwitscher etwa? Warum? Ich höre es ohnehin jeden Tag.“
„Das war also eine Fehlanzeige“, murmelte Goody.
Bei Tante Sarah begann sie anders. Sarah hatte gerade mit Jessie eine Auseinandersetzung darüber gehabt, wer den Kies auf den Gartenwegen harken sollte. Und die ältere Schwester hatte die jüngere eine faule Gurke genannt und noch alles mögliche dazu.
Sarah waren keine passenden Schimpfworte eingefallen, und da hatte sie gesagt: „Mir verbietet meine Erziehung und das Andenken an meine lieben Eltern, mich auf deinen ordinären Ton einzulassen. Ich nehme an, du bist gar nicht meine leibliche Schwester, sondern meinen Eltern von herumziehendem Volk einfach auf die Türschwelle gelegt worden. Du hast nämlich weder etwas vom Charme meiner Mutter, noch vom Verstand und Geist meines Vaters.“
„Du hast es ihr wirklich gut gegeben“, sagte Goody. „Von dir kann man lernen, wie man sich nobel aus einem Streit heraushält.“
„Und das Schlimme ist“, antwortete Sarah ohne jede Pause, „morgen wird sie behaupten, sie sei die feine Dame gewesen, und ich hätte mich benommen wie ein Droschkenkutscher in Edinburgh.“
„Nein, wirklich!“ rief Goody und tat verwundert.
„So ist sie aber, auch wenn du es nicht glaubst.“
„Da gibt’s nur eines, Tante Sarah. Du mußt dir ein Tonbandgerät anschaffen, dann kannst du es ihr beweisen.“
„Was?“
„Daß sie so grob mit dir umgeht und was sie dir alles sagt.“
„Wie kann ich ihr denn das beweisen?“
„Indem du ihre Stimme auf Band aufnimmst.“
Tante Sarah begann zu strahlen. „So etwas gibt es? Wirklich? Man kann die Stimme eines Menschen auf ein Band bannen? Hast du eine Ahnung, wieviel so etwas kostet?“
„Ach, Tante Sarah, wenn du ein Schlauchboot kaufen kannst, dann kannst du auch ein Tonbandgerät bezahlen.“
„Kennst du dich aus in solchen Sachen?“
„Selbstverständlich, und Cedric auch.“
„Fein, da fahren wir mal mit dem Bus nach Inverness und besorgen uns so etwas. Und wenn wir nach Hause kommen“, sie zappelte vor Freude, „dann nehmen wir ihre Stimme auf, wenn sie mit uns allen oder mit mir allein schimpft.“
Goody drückte sich unter einem Vorwand und suchte Cedric auf. Er war oben in seinem Zimmer und betrachtete mit dem Fernglas den Loch.
„So“, seufzte Goody, „jetzt hab ich’s. Ich glaube ziemlich sicher sein zu können, daß keine der beiden Tanten ein Tonbandgerät hat.“
„Und was folgerst du daraus, Goody?“
„Ich folgere daraus, daß das Geplätscher, das Getöse, das Brüllen und Rufen, das du gehört hast, keine Bandaufnahme war, sondern echt. Originalton MacLachlan House.“
„Aber wer kann in diesem Haus diese wüsten Töne erzeugen?“ fragte Cedric.
„Und vor allem, wieso hast du die Geräusche gehört und Mac und ich nicht? Bist du dir da auch wirklich sicher?“
„Wenn ich dir’s sage. Glaubst du, ich fürchte mich vor etwas, das ich nicht höre? Ich dachte, die Wellen waschen das Haus weg.“
„Und wenn es mit irgendeinem Geist zu tun hat, von dem sie uns noch nichts gesagt haben?“
„Sie hat damals so merkwürdig reagiert, als ich sie nach dem Kaninchen fragte.“
„Wer, sie?“
„Tante Jessie.“
„Gut, ich werde mich noch einmal an sie ranpirschen und sie fragen, ob es noch andere Geräusche gibt als die vom Dudelsackpfeifer.“
Und da Cedric noch immer das Fernglas in der Hand hielt, fragte sie: „Sonst irgend etwas entdeckt?“
„Nichts. Ich hab mir den Loch Ness aber auch nicht so irrsinnig lang vorgestellt.“
„Wie tief ist er eigentlich, weißt du das?“
„Die größte gemessene Tiefe ist dreihundertfünfundzwanzig Meter. Aber es ist durchaus möglich, daß er irgendwo noch tiefer ist.“
„Das ist allerhand Platz für Nessie. Wenn ich mir denke, das Monster geht einfach auf Tauchstation und bleibt unten, bis der ganze Rummel vorbei ist... Also, ich frage noch einmal Tante Jessie aus.“
Sie lief hinunter in die Küche, wo Tante Jessie, diesmal in Schottenkaro-Bluse und Fischerhose, dabei war,
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