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Nest: Jake Sloburn Horror-Thriller

Nest: Jake Sloburn Horror-Thriller

Titel: Nest: Jake Sloburn Horror-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz C. Frey
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Als er die Ampulle aufhob und in eine Tasche seines Sakkos steckte, zog etwas, das man für den Anflug von Ekel oder milden Abscheu hätte halten können, über sein ansonsten emotionsloses Gesicht.
    Er verließ die Bar am anderen Ende in Richtung Treppenaufgang, der ebenfalls durch einige dezent platzierte Lichter in ein anheimelndes Schummerlicht getaucht wurde. Hier jedoch hatte die Beleuchtung einen sanften Gelbton. Honiglicht, welches das obere Ende der Treppe in einem goldenen Schimmer versinken ließ. Einigen Leuten mochte der Treppenaufstieg daher wie eine Verheißung des Paradieses vorkommen – hinauf und hinan, empor zum Licht!
    Auf Jake Sloburn machte die edle Einrichtung jedoch wenig Eindruck. Er hielt nicht viel von Verheißungen und im Paradies war er bereits gewesen.
    Er hatte es lichterloh brennen sehen.
     
     

15
     
    E r ging die Treppe hinauf, dahin, wo das Licht eine Winzigkeit heller wurde. Er öffnete die Doppeltür zum Gang im ersten Stock und plötzlich schlug ihm ein muffiger, modriger Geruch entgegen. Grabesgeruch. Nicht wirklich erotisch, befand Sloburn, aber andererseits – was verstand er schon von solchen Dingen?
    Die Wände des Gangs waren mit den unvermeidlichen roten Plüschbezügen tapeziert – billigem, dünnem Stoff mit übermäßig protzigen Glanzapplikationen in der Form von Königslilien. Allerdings lösten sich die schmalen Stoffbahnen an den Rändern bereits von der Wand und darunter kam eine dichte weißliche Schicht zum Vorschein. Schimmelpilze, die an der feuchten Wand wucherten und komplizierte, rautenförmige Muster bildeten.
    Sloburn betrat das erste Zimmer zu seiner Linken durch eine Holztür, kaum mehr als ein Brett, welches schief in den Angeln hing – und fand sich in einem mittelalterlichen Verlies wieder. Jemand hatte sich sogar die Mühe gemacht, Decke und Wände mit der wenig realistischen Attrappe einer massiven Steinwand zu überziehen.
    Das Ganze wirkte erdrückend und schien schwer auf dem Raum zu lasten, man fühlte sich vom Anblick des kalten Steins regelrecht erschlagen, und genau das war wahrscheinlich der Witz an der Sache, vermutete Sloburn. An den seitlichen Wänden waren über die gesamte Länge schwere Holzbohlen angebracht, an denen eine Vielzahl von Folterwerkzeugen hingen: verrostete Ketten, Peitschen, allerlei Schrauben und Klemmen aus Holz und Metall. Man hatte sich wenig Mühe bei der Herstellung dieser Dinge gegeben, alles wirkte grob und in Eile gefertigt. Es gab sogar Dildos in den Größen von Es geht so bis Oh mein Gott! aus schimmelüberzogenem Holz, das die Feuchtigkeit der Wände aufgesogen hatte.
    An der Stirnseite des Raumes befand sich ein großes hölzernes X, ein Andreaskreuz, über das jemand eine Büßerrobe aus grobem Sackleinen geworfen hatte, in welcher ebenfalls schon der Schimmel tobte. Sloburn sinnierte für einen Moment über das hölzerne X mit den rostigen Handfesseln an den Enden: Wer immer dieser Andreas gewesen sein mochte, von der eigentlichen Funktion und Aufgabe des Kreuzes hatte er jedenfalls genauso wenig verstanden wie der größte Teil der heutigen Christenheit. Und an einem Ort wie diesem war Sloburn irgendwie fast froh über diesen Umstand.
    Sloburn warf einen Blick auf das lebensgroße Porträtgemälde an der Stirnwand des Raumes über dem Imitat eines Kamins. Es war irgendein alter, kitschiger Schinken, auf dessen rissiger Leinwand die fleckigen Überreste eines Edelmanns des sechzehnten Jahrhunderts mit einem sauber ausrasierten Kinnbart und nicht minder klischeehaft stechenden, schwarzen Augen abgebildet waren. Nein, korrigierte sich Sloburn, als er näher an den vergammelten Kitsch herantrat, die Augen waren nicht schwarz, sie waren leer – Sehschlitze für einen in der Wand verborgenen Beobachter.
    Schließlich verließ Sloburn den Raum. Hier gab es offenbar wenig zu holen und außerdem, und das hatte er schon bei seinem Eintreten gespürt, war der Raum ohnehin kalt.
    Im nächsten Raum hatte er mehr Glück. Die Tür war nur angelehnt und dieser Raum war warm, regelrecht heiß. Jemand war hier gewesen, vor nicht allzu langer Zeit. Und Jake nahm noch etwas anderes wahr, etwas, das offenbar mit der merkwürdigen Ampulle in seiner Tasche zusammenhing, oder dem, was sie enthalten hatte. Prüfend sog er die Luft des Raumes ein. Jemand hier hatte Angst gehabt, furchtbare Angst – und auch allen Grund dazu. Und er kannte diesen Jemand.
    In der Mitte des Raums thronte ein riesiges Wasserbett, dessen

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