Nesthäkchen 01 - Nesthäkchen und ihre Puppen
Regimenter wanderten ins Jungenzimmer zurück und Klaus dazu. Annemarie aber wurde auf Besuch zu Hanne geschickt, weil die sie doch nun so lange entbehren mußte. Jetzt hatte Fräulein endlich Ruhe zum Packen, nur die Puppen durften zugucken.
Eigentlich war es schon am Tage vor der Reise so schön, daß man gar nicht erst zu verreisen brauchte. Vater und Mutter waren noch zärtlicher als sonst, Hanne ließ die Kleine in der Küche naschen, weil sie doch morgen nicht mehr da war, und Hans schenkte ihr sogar einen großen Radiergummi. Das Schwesterchen war so begeistert von dieser Freigebigkeit, daß es sich liebevoll an seinen Rücken hängte und ausrief: »Ich wollte, daß du lieber mit nach Arnsdorf kämest, Hänschen, und Klaus mit seinem Lehrer reiste!«
Puppe Gerda wünschte dies noch tausendmal mehr, denn sie sah bereits im voraus ihre Sommererholung durch den wilden Klaus arg beeinträchtigt.
Als gegen Abend auch noch Großmama erschien, um den Enkelchen Lebewohl zu sagen, und ihnen eine große Tüte Keks für die Reise mitbrachte, da war die Seligkeit voll. Klein-Annemarie war gar nicht zu bändigen, so aufgeregt war sie. Sie setzte mit Klaus über Hutkarton, Koffer und Stühle, und das Fräulein drohte, sie nicht mitzunehmen. Und als sie dann endlich in ihrem Bettchen lag, da betete sie voll Inbrunst: »Lieber Gott, mache doch bloß, bitte, daß ganz schnell morgen ist.«
Das mußte der liebe Gott denn wohl auch getan haben; denn als Fräulein Lena Annemarie eine Stunde früher als sonst weckte, war die Kleine so müde, als ob sie eben erst eingeschlafen wäre.
»Annemarie, der Zug geht ab!« rief das Fräulein.
Hei - wie war Nesthäkchen da im Augenblick aus dem Neste - wie blitzten die eben noch so verschlafenen Augen. Auch Gerda sprang mit beiden Füßen zu gleicher Zeit heraus.
Heute ging das Anziehen noch mal so schnell. Wenn man reisen will, ist das Wasser nicht so naß wie sonst, der Kamm ziept nicht die Spur, und selbst die zwei Tassen Kakao sind im Nu leer, auch wenn man gar keinen rechten Appetit hat.
»Fräulein, der Zug geht ab!« Jetzt war es Annemarie, die Fräulein Lena drängte und der es nicht rasch genug gehen konnte. Lange, bevor das Auto geholt wurde, stand sie bereits reisefertig da. Auf dem rechten Arm die ebenfalls reisefertige Gerda, in dem linken ihren Teddybären, dem sie Kurts Mütze aufgesetzt und Irenchens blaues Cape umgebunden hatte.
»Soll dieser junge Herr etwa auch mit?« fragte Vater amüsiert, sich den merkwürdigen Reisenden anschauend.
Annemarie bejahte eifrig, weil sie doch bloß eine Puppe mitnehmen dürfe und Tiere auf einem Gut, wo es doch soviel Ochsen und Kühe gibt, sicher sehr willkommen sein würden.
»Ja, aber Bären gehören doch nicht auf ein Gut«, überredete sie Mutti, da Nesthäkchen den Teddybären als Reisegefährten mitnehmen wollte.
Auch Vaters Einwurf: »Der kriegt doch keine roten Backen von der Landluft!« half nichts, nur Fräulein Lenas energisches Verfahren: »Dann bleibst du auch zu Hause!«
Der Bär wanderte zu den zurückgelassenen Puppen, und nachdem Hanne und Frieda Nesthäkchen nochmals versprachen, für ihre armen, mutterlosen Kinder zu sorgen, konnte sie endlich mit ihrer Gerda die Reise antreten.
Klaus, die grüne Botanisiertrommel umgehängt und das Schmetterlingsnetz wie eine Fahne in der Hand schwenkend, thronte bereits auf dem Sitz neben dem Chauffeur. Auch die Eltern fuhren mit zur Bahn.
Ach, wie herrlich ist verreisen, wenn Hanne und Frieda vom Balkon herunterwinken, wenn der Hausmeister in höchsteigener Person die Koffer aufladen hilft und das Auto so wundervoll tutet!
Mit glänzenden Augen fuhr Nesthäkchen zum Bahnhof. Dort gab es wieder eine Freude. Großmama hatte sich eingefunden, um ihrem Herzblatt Annemarie noch einen Abschiedskuß zu geben.
Vater und Mutter wollten ihr Nesthäkchen gar nicht aus dem Arm lassen.
»Sei folgsam und artig, Lotte - Klaus, Fräulein schreibt mir alle Tage über dein Betragen einen Brief, daran denke, wenn du etwas Ungezogenes tun willst! Und grüßt Onkel Heinrich und Tante Kätchen schön -« Da gab der Stationsvorsteher das Zeichen.
»Tü-ü-üh - abfahren!« schrie Annemarie. Und seelenvergnügt fuhr Nesthäkchen in die weite Welt hinaus.
Die Reise wurde den Kindern nicht lang. Auch Gerda sperrte Mund und Nase auf. Nein, was gab's da draußen alles zu sehen. Zuerst einen großen, dunklen Wald, in dem sicherlich Rotkäppchen dem Wolf begegnet war.
Dann ein Dorf mit vielen
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