Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr
auch nicht reiten, Herzchen«, lachte Großmama. »Kamelien sind Blumen, die Mehrzahl von Kamel heißt Kamele.«
An dem chinesischen Pudel vorbei, der gar keine Schlitzaugen hatte, wie Annemarie zu ihrer Verwunderung bemerkte, kam man jetzt zum Zebra.
»Das hat ja seinen Badeanzug an, aber ganz genau wie Hänschens Badeanzug!« rief die Kleine überrascht, auf das schwarz-weiß gestreifte Tier weisend.
»Nun ins Raubtierhaus« - «Nein, bitte, zu den Seehunden« - gingen die Wünsche der wilden Gesellschaft wieder auseinander.
»Eins nach dem andern«, beschwichtigte Onkel Heinrich, »zu den Straußen und ins Vogelhaus müssen wir doch auch noch.«
»Au ja, bei den Sträußen, da pflücke ich einen feinen Strauß für Mutti, weil sie hat zu Hause bleiben müssen«, rief Nesthäkchen erfreut.
»Der wird sich nur nicht pflücken lassen, Liebling.« Tante Kätchen konnte sich vor Lachen gar nicht beruhigen. »Der Strauß hier im Zoologischen Garten ist ein großer Vogel.«
Klein-Annemarie machte ein verdutztes Gesichtchen. Sie wurde nicht klug aus dem Zoologischen Garten. Wenn sie Tiere meinte, waren es Blumen, und wenn sie einen Strauß pflücken wollte, war der wieder ein Tier.
Aber jetzt hatte Nesthäkchen keine Zeit, ihren Gedanken weiter nachzuhängen, denn Onkel Heinrich hatte soeben etwas verkündet, was sowohl Annemaries wie Gerdas Herzchen schneller pochen ließ: »Wir kommen jetzt gleich zum Wolf.«
Der Wolf - der böse Wolf - vom Rotkäppchenmärchen her ist er schon der Schrecken aller Kleinen. »Was - das soll ein Wolf sein - das ist ja man bloß ein lieber Hund«, meinte Nesthäkchen verächtlich, als man vor dem Käfig stand.
»Ich rate dir, stecke deinen Finger nicht hinein, er schnappt zu!« warnte Hans.
Aber gerade das reizte Annemarie.
»Ja, Kuchen«, lachte sie ihn aus, »das ist ja bloß ein Schäferhund!« und sie kam mit dem Händchen in beängstigende Nähe des Gitters.
»Barmherziger!« Großmama zog kreidebleich das Kind zurück, die alte Dame zitterte am ganzen Körper vor Aufregung.
»Wenn du noch einmal solche Dummheiten machst, heißt es 'Marsch nach Hause' verstanden, Fräulein?« Onkel Heinrichs Gesicht war so ernst, wie Nesthäkchen es noch nie gesehen hatte. Tante Kätchen aber nahm das kleine Mädchen erschrocken an die Hand.
Da aber brüllte es plötzlich neben ihr, daß die Kleine, die noch eben versucht hatte, von Tante Kätchens Hand loszukommen, sich krampfhaft an diese klammerte.
»Nanu, Herzchen, du wirst doch keine Furcht vor dem Löwen haben, der sitzt ja hinter festen Eisenstäben«, beruhigte sie die gute Großmama.
Aber Klein-Annemarie zog aus Leibeskräften vom Löwenzwinger fort in die entgegengesetzte Richtung.
»Komm, Krabbe, jetzt gehen wir beide mal zusammen ins Raubtierhaus.« Onkel Heinrich packte das feige kleine Fräulein. »Ein Schulmädel darf keine Angst mehr haben!«
Obwohl es Nesthäkchen recht schwül zumute wurde, mußte sie mit Onkel Heinrich gehen.
Aber Annemarie hatte kaum das Näschen ins Raubtierhaus hineingesteckt, da zog sie es auch schon wieder zurück.
»Pfui, riecht das hier!« Die warme, strenge Raubtierluft nahm ihr fast den Atem.
Aber Onkel Heinrich ließ nicht locker. Nesthäkchen sollte sich die lächerliche Furcht abgewöhnen. Zuerst zeigte er ihr die Löwenkinderstube. Da wagte sich Annemarie schon näher. Die gelben, kleinen Dinger, die so drollig wie Kätzchen miteinander spielten, machten ihr Spaß. Vor dem Vater der Löwenkinderchen hatte sie aber bei weitem mehr Respekt.
Unermüdlich lief der in dem Käfig auf und ab - hin - her - hin - her - immer die gleiche kurze Strecke.
Annemarie atmete doch erleichtert auf, als das Raubtierhaus mit seinen Gefahren hinter ihr lag.
Das Affenhaus, ei, das war ein ganz anderes Ding, da konnte das gepreßte Herzchen wieder beruhigt schlagen. Ja, das Affenhaus war das schönste vom ganzen Zoologischen Garten!
Wie sie sprangen und kletterten, die kleinen Äffchen. Hier schaukelte sich eins, dort spielten zwei wie Kinder Haschen, und drüben prügelten sich gar ein paar kleine Feinde. Annemie hätte ihr ganzes Leben lang hier stehen und zuschauen mögen.
»Ach, Onkel Heinrich, sieh nur das süße Äffchen hier, das betet gerade.«
Nesthäkchen wies auf einen Affen, der die Hände bettelnd erhoben hatte.
»Wer so schön bittet, soll auch etwas kriegen!« Onkel Heinrich ließ sein Nichtchen los, da hier ja keine Gefahr war, und zog eine vielversprechende Tüte aus der
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