Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr
Rocktasche. Daraus holte er eine Krachmandel und reichte sie dem kleinen Vierhänder durch die Gitterstäbe. Geschickt knackte der braune Gesell die Mandel auf, die Schale aber warf er voll Unverschämtheit Onkel Heinrich an den Kopf.
»Du, sei nicht so frech zu meinem Onkel, ist das etwa der Dank!« machte Annemarie ihm Vorwürfe, während die anderen sich amüsierten.
Das Äffchen ließ sich in seiner Mahlzeit nicht stören. Die Jungen hatten Onkel die Tüte abgebettelt, das Füttern machte ihnen den größten Spaß.
Klaus ließ es allerdings dabei nicht bewenden. Er begann die Affen zu necken. Erst hielt er ihnen eine Krachmandel verlockend hin, und wenn sie danach faßten, zog er sie schnell wieder zurück. Da besann sich der eine Affe nicht lange, er holte aus und schwapp - hatte Kläuschen seine Ohrfeige weg.
Laut auf schrie er vor Schreck. Onkel Heinrich aber schmunzelte: »Das geschieht dir recht, mein Junge, sogar der Affe weiß, was dir, Bandit, zuträglich ist.«
Auch Nesthäkchen beteiligte sich am Füttern. Die Äffchen waren ja so zahm, die taten ihr nichts.
Wieder hielt Annemarie ihrem besten Freunde, einem Äffchen mit überaus ähnlichem Menschengesicht ihre Gabe hin. Der aber griff, statt nach der Mandel, plötzlich nach Puppe Gerda. Ehe Annemarie wußte, wie ihr geschah, hatte der Affe das entsetzte Puppenkind im Arm.
»Meine Puppe, meine Gerda!« kreischte Nesthäkchen, es brach in ein bitterliches Geheul aus. Das Äffchen aber sprang mit Puppe Gerda seelenvergnügt auf den Kletterbaum und begann ihre schönen Haare zu frisieren.
Die umstehenden Besucher lachten aus vollem Halse, während Klein-Annemarie aus vollem Halse schrie!
Mit hilflosen Augen, voll Todesangst, blickte die arme Gerda, die der Affe jetzt liebevoll in seinen langen Armen wiegte, zu ihrer schreienden, kleinen Mama herab. Onkel Heinrich lachte ebenfalls dröhnend, und auch Tante Kätchen und die Brüder stimmten mit ein. Der Anblick war überwältigend komisch.
Nur Großmama, die Allerbeste, neigte sich zärtlich zu dem jammernden Enkelchen herab und tröstete: »Er wird sie schon wiedergeben, weine nur nicht, Liebling.«
Aber der Affe war weniger liebenswürdig, als Großmama annahm. Er dachte gar nicht daran, sich von Puppe Gerda zu trennen. Im Gegenteil, sie gefiel ihm von Minute zu Minute besser. Zärtlich streichelte er sie mit seinen behaarten Pfoten. Als der Wärter, den Onkel Heinrich herbeirief, ihn zu sich lockte, um ihm seinen Raub wieder abzunehmen, sprang er mit der Puppe in die äußerste Ecke des Käfigs.
Eine wilde Jagd begann durch den Affenkäfig um Puppe Gerda. Vor dem Affenhaus sammelte sich eine dichte Menschenmenge. Endlich hatte der Wärter den kecken Dieb erwischt. Er befreite die ohnmächtige Gerda aus den langen, zottigen Affenarmen, zog dem braunen Dieb eins mit seinem Stock über und legte das unverletzte, wenn auch etwas zerdrückte Puppenkind seinem Mütterchen in die Arme. Die glückselige Freude des kleinen Blondkopfes mit anzusehen, war geradezu rührend.
»Na, ich denke, wir stärken uns jetzt erst mal auf den Schreck«, meinte Onkel Heinrich, nachdem er dem Wärter ein Trinkgeld gegeben hatte.
Wenn Onkel Heinrich von »stärken« sprach, dann pflegte der Apfelkuchen mit Schlagsahne nicht mehr lange auf sich warten zu lassen.
Auf dem Wege zu der im Zoologischen Garten gelegenen Konditorei traf Tante Kätchen Bekannte. Auch Onkel Heinrich und Großmama beteiligten sich an der Unterhaltung. Diese währte ziemlich lange. Die Kinder, die nach ihrem Apfelkuchen verlangten, wurden ungeduldig.
Hans und Klaus unterhielten sich damit, den Seehund, bei dem man geradestand, durch Steinwürfe aus dem Wasser herauszulocken.
Nesthäkchen und Puppe Gerda aber blieben bei der Musikkapelle stehen.
Als Annemarie, nachdem die Trompeten und Pauken schwiegen, sich umwandte, ob denn Tante Kätchen noch immer nicht mit ihrer Unterhaltung fertig war, wurden ihre Augen noch einmal so groß. Der Platz, auf dem Großmama, Onkel und Tante gestanden hatten, war leer. Nirgends eine Spur von ihnen, auch Hans und Klaus waren nicht zu erblicken.
Daß sie selbst um die Musikhalle herumgegangen war, um die große Pauke besser sehen zu können, und sich nun auf der anderen Seite der Halle befand, daran dachte Klein-Annemarie in ihrem Schreck nicht.
Sie tat das Törichtste, was sie tun konnte: weinend lief sie in irgendeiner Richtung davon. So entfernte sie sich immer mehr von den auf der anderen Seite der
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