Nesthäkchen 02 - Nesthäkchens erstes Schuljahr
ihre gute Freundin Hanne, »ob es morgen wohl regnen wird?«
»Is schon möglich«, war die nicht sehr verheißungsvolle Antwort, »in meiner großen Zehe muckert es wieder.«
Aber obwohl es in Hannes großer Zehe muckerte, schaute am nächsten Morgen die goldene Sonne auf das schlafende Nesthäkchen herab.
Hurra - jubelnd ließ sich die Kleine fertigmachen. Mit hellblauem Waschkleidchen und blauem Leinenhut angetan, stolzierte sie durch alle Zimmer.
»Lotte, versprichst du mir auch, artig und nicht zu wild zu sein und keine Dummheiten zu machen?« Wohl schon zum dritten Male fragte es die Mutter.
Nesthäkchen versprach alles.
Hanne brachte die Botanisiertrommel mit Butterbroten. Aber trotzdem diese reichlich bemessen waren, blieb noch viel Platz darin.
»Ob ich« - überlegte Annemarie, und kaum war dieser Gedanke in ihrem Köpfchen aufgetaucht, da hatte sie ihn schon ausgeführt.
Gerda, ihr Liebling, die ihr den ganzen Morgen schon leid getan hatte, weil ihre blauen Glasaugen gar so sehnsüchtig die Vorbereitungen zum Schulausflug verfolgten, Gerda saß plötzlich in der grünen Botanisiertrommel, neben sämtlichen Stullen, sie ging gerade noch rein. Dagegen konnte Fräulein Hering nichts haben, Puppe Gerda nahm doch keinem einen Platz weg.
»Viel Vergnügen - sei artig -trink nicht, wenn du erhitzt bist!« so klang es noch hinter dem selig abziehenden Nesthäkchen her. Aus der Nebentür wurde Margot mit ähnlichen Ermahnungen entlassen.
Es war ein hübsches Bild an dem Dampferplatz der Spree. Lauter kleine Mädel mit rosigen Gesichtern und erwartungsvoll glänzenden Augen.
Zuerst wurde der Lehrerin das Geld abgeliefert. Dann zählte Fräulein Hering die ihr anvertrauten Schützlinge, und als alle beisammen waren, durften die ungeduldigen Kleinen endlich auf den Dampfer hinauf.
Mit der Wasserfahrt, die den Kleinen am verlockensten an dem ganzen Ausflug erschienen war, erging es ihnen, wie es einem oft im Leben ergeht. Als sie anfing und die Wellen so lustig um den Dampfer tanzten und der weiße Schaum so übermütig sprudelte, war es herrlich. Den quecksilbrigen Kleinen wurde das Stillsitzen zu lang, denn Fräulein Hering erlaubte nicht, daß auf dem Dampfer herumgelaufen wurde.
Annemarie und Margot, die beiden kleinen Freundinnen, saßen natürlich zusammen. Sie schauten beide einträchtig in die schwarze Wassertiefe, in der es so lustig von kleinen Dampferwellen sprudelte.
»Annemarie, leg dich nicht so weit über das Geländer hinüber!« rief Fräulein Hering warnend.
Aber Annemarie hörte nicht. Sie mußte sehen, wo die niedliche, kleine Welle hinsprang.
Da griff der Wind aus Ärger über das ungehorsame Kind plötzlich nach Annemaries Leinenhütchen.
Hui - riß er es ihr von den Locken, hui -wirbelte er es mitten hinein in die tanzenden Wellen.
»Mein Hut - halt - mein Hut!« schrie die Kleine erschreckt. »Ach, lieber Herr Kapitän, halten Sie doch bloß einen Augenblick an, daß ich mir mein Hütchen wieder angeln kann.« Sie versuchte vergebens, den Ausreißer zu erwischen.
Die Kinder waren alle in begreiflicher Aufregung, während Annemarie den Ausflug, auf den sie sich so unbändig gefreut, gleich mit Tränen einweihte.
»Mutti wird schimpfen und Fräulein auch, daß ich so unachtsam gewesen bin«, jammerte sie.
Fräulein Hering hatte einen Schiffsjungen veranlaßt, mit einer langen Stange Jagd auf Annemaries Hut zu machen. Aber die Strömung war zu stark, pfeilschnell schwamm der Hut davon, auf Nimmerwiedersehen.
»Wo reist mein Hütchen jetzt hin?« erkundigte sich Klein-Annemarie bei der sie freundlich tröstenden Lehrerin.
»Erst die Spree entlang und dann in die Havel, denn dort hinein mündet die Spree«, belehrte sie Fräulein Hering.
»Und dann?«
»Dann geht's in die Elbe und von dort in das Meer.«
»Ach« -Nesthäkchen riß die Blauaugen kugelrund vor Verwunderung auf. Solch eine große Reise machte ihr Hut, am Ende gar bis nach Afrika!
Fast tat es der Kleinen leid, daß sie nicht selbst ins Wasser gefallen war und die weite Seereise mitmachen konnte.
Margot wischte mit ihrem Tüchlein Annemaries nasses Gesichtchen ab.
Ganz gerührt öffnete diese ihre Botanisiertrommel, freilich nur einen Spalt breit, und ließ Margot hineinschauen.
»Haach!« machte die, als sie die eingeschmuggelte Puppe erblickte, aber Annemarie hielt ihr schnell den Mund zu.
»Nicht verraten!« flüsterte sie dabei.
Nun hatten die beiden kleinen Freundinnen ihr erstes Geheimnis
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