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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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es sich bei ihr doch nur um Tage, während der arme Junge… Annemaries weiches Herz war ganz erfüllt von Mitgefühl.
    »Liebe Schwester Elfriede, ach bitte, fahren Sie mich doch zu dem kleinen Jungen hinüber. Ich möchte mich so gern mit ihm unterhalten.«
    »Kindchen, das darf ich nicht, so gern ich's auch täte. Du bist noch nicht ganz aus den Ansteckungswochen heraus, ich habe dich deshalb in den abgelegensten Teil des Gartens gefahren.«
    Annemarie wollte schon wieder das Gesicht unwillig verziehen. Aber auch rein gar nichts wurde ihr erlaubt! Da aber wanderte ihr Blick wieder zu dem kleinen Jungen hinüber und - sie schämte sich.
    »Bitte, Schwester Elfriede, würden Sie nicht einen Strauß Flieder abschneiden Vater hat erlaubt, daß wir uns einen Busch mitnehmen - und ihn dem armen Jungen mit einem schönen Gruß von mir bringen?« bat sie.
    Das tat die Schwester gern.
    Annemarie konnte erkennen, wie die Augen des kranken Knaben vor Freude aufleuchteten. Und jetzt nickte er ihr einen Dank hinüber.
    Von nun an war Annemarie mit dem gelähmten Jungen gut Freund. Zwar sprachen sie sich nie, aber sie grüßten sich und winkten sich zu. Der Kleine schrieb ihr Briefchen, und Annemarie antwortete mündlich durch Schwester Elfriede. Denn auch Briefe können anstecken.
    Auf diese Weise erfuhr das kleine Mädchen, daß der Junge Kurt hieß und ebenfalls zehn Jahre alt war, daß er noch niemals in eine Schule gegangen war, sondern immer daheim unterrichtet worden sei, und daß er gar nicht weit von ihnen wohnte. Annemarie konnte die Stunde, wo es in den Garten hinausging, jetzt nie erwarten.
    Den ganzen Morgen überlegte sie, was sie ihrem Freund alles bestellen lassen wollte. Zum Glück war der Mai herrlich, nur selten enttäuschte ein Regentag die sich aufeinander freuenden Kinder. So kam das Pfingstfest heran und damit der Zeitpunkt, wo Annemarie gesund erklärt und wieder heimkehren durfte.
    Das kleine Mädchen war selig. Sie freute sich auf jeden einzelnen, vor allem natürlich auf Mutti. Und dann auf ihre Kinderstube, auf Puck und Mätzchen, auf die Schule und alle ihre Freundinnen - Schwester Elfriede konnte gar nicht behalten, was Annemarie in ihrer Heimkehrfreude dem kleinen Kurt alles sagen ließ.
    Der sah noch bleicher aus als sonst, als er hörte, daß das blonde kleine Mädchen nicht mehr in den Garten kommen würde. Aber er war ein so guter Junge, daß er Annemaries Freude durch kein trauriges Wort trüben wollte.
    Nesthäkchen hatte inzwischen wieder laufen gelernt. Zwar haperte es immer noch mit dem Umherspringen, gar zu leicht ermüdete das kaum genesene Kind. Aber sie konnte doch, ehe sie die Klinik verließ, selbst zu Kurt in den Garten gehen und sich von ihm verabschieden. Denn jetzt war sie nicht mehr »gefährlich«, wie Schwester Elfriede lachend sagte.
    Ach, von der guten, sanften Schwester wurde ihr das Scheiden recht schwer. Aber als Annemarie, ihre Gerda auf dem Arm, erst neben Vater in der Droschke saß, da dachte sie nur vorwärts und nicht mehr zurück.
    Es war ein lachender Pfingstsonntag, als Nesthäkchen wieder daheim ihren Einzug hielt. Die Sonne strahlte so golden, die Glocken klangen und brausten von allen Kirchen Berlins. Es war, als habe die ganze Welt sich zum Empfang des blonden Kindes geschmückt. Auf dem Balkon hatte die ganze Braunsche Familie, Puck eingerechnet, Aufstellung genommen. Die Jungen ließen ihre Taschentücher flattern und schrien »hurra«, als die Droschke unten hielt.
    Die Mutter aber faltete beim Klang der Pfingstglocken ihre Hände und dankte stumm für die Genesung ihres Kindes.

Ein schwerer Entschluß
     
    Ach - war das schön wieder daheim! Alles erschien Annemarie ganz neu. Ihr Kinderzimmer, das die Brüder mit Pfingstmaien in eine grüne Laube verwandelt hatten, all ihre Bücher und Spiele. Und ihre Lieben selbst, die sie so lange entbehrt hatte. Mutti ging sie in den ersten drei Tagen nicht von der Seite. Fräulein Lena und Hanne lasen Annemarie jeden Wunsch von den Augen. Hans schenkte ihr Federn und Löschblätter. Und selbst der wilde Klaus ärgerte sie nicht, wenigstens nicht gleich, weil sie am Ende doch noch zu schwach dazu sein konnte.
    Ja, schwach war die Annemarie freilich noch. Mutti war entsetzt, als sie ihr Nesthäkchen so verändert wiedersah. Was war aus ihrer blühenden Lotte geworden!
    Die runden, rosigen Grübchenwangen schmal und durchsichtig blaß, die strahlenden Augen matt und der Körper abgemagert und elend.
    Aber

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