Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
Königin von Dänemark, die sich mit ihrer Jacht auf einer kleinen Seereise befindet, hat ihren Besuch in Wittdün angemeldet. Sie wird bereits in dieser Woche eintreffen und im Kurhaus absteigen. Sie wird auch unser Heim besuchen. Da sollten wir überlegen, wie wir sie empfangen wollen.«
»Wir wollen unsere weißen Kleider anziehen«, meinten die großen Mädchen.
»Flaggen wollen wir«, rief Lothar - »Mit unseren Trompeten müssen wir blasen«, Peters Stimme trompetete schon genügend.
»Blumens-treuen«, schlug Ellen vor und »Girlanden winden«, fiel Gerda ein.
»Nee, eine von uns muß ein Gedicht aufsagen«, überschrie Annemarie ihre Freundin, während Tante Lenchen sich lachend die Ohren zuhielt.
»Immer nur einer auf einmal, Kinder, man versteht ja sein eigenes Wort nicht.«
Sie zog ein Notizbüchlein aus der Tasche. »Weiße Kleider angenommen - Girlanden angenommen, auch Fahnen -nein, Peter, auf euren musikalischen Genuß wird die Königin lieber verzichten. Aber das ist ein netter Gedanke mit dem Gedicht, Annemarie. Eins von euch könnte Ihre Majestät in der Tat mit einem Verschen willkommen heißen und dabei ein paar Blumen überreichen.« Tante Lenchen ging wieder ins Haus, um alles Weitere mit ihrer Schwester zu besprechen.
Nicht nur im Clarsenschen Kinderheim hatten Aufregung und Erwartung Platz ergriffen. Ganz Wittdün war von der bevorstehenden Ankunft der Königin von Dänemark aus dem Gleichgewicht gekommen. Die Badedirektion plante eine italienische Nacht am Strand mit bunten Lampions und ein Tanzfest an Bord eines großen Dampfers. Auch die Badegäste, vor allem die Kinder, waren ganz aus dem Häuschen. Jede Burg wurde besonders schön geschmückt zum Empfang der Königin. Aber auch in die alten, friesischen Fischerhäuschen, in denen das Leben so ruhig und gleichmäßig dahinzufließen pflegte, drang die allgemeine Erregung.
Die friesischen Frauen und Mädchen suchten ihren schönsten Sonntagsstaat zusammen, denn sie sollten an der Dampferanlegestelle die Frau Königin begrüßen.
Die Männer aber schmückten ihre Boote mit Tannenreisern und Heidekraut, um der königlichen Jacht entgegenzusegeln.
In Villa Daheim war man inzwischen auch eifrig an der Arbeit. Da wurden Girlanden aus gelbem Ginster, rosa und violetten Strandnelken, aus blauer Glockenheide und stachliger Seemanstreu gewunden und damit das Gartengitter und das Portal geschmückt. Das war das Werk der Mädchen; die Knaben hatten Papierfähnchen geklebt und sie dazwischen angebracht. Auch ein Verschen hatte Fräulein Mahldorf verfaßt. Eigentlich sollte es Annemarie Braun hersagen und dazu Rosen aus dem Garten überreichen, weil der Gedanke von ihr herrührte. Schließlich aber fanden die Damen es doch netter, wenn das Kleinste des Kinderheims das Verschen sprach. Für alle Fälle konnte ja Annemarie es mitlernen, wenn Klein-Annekathrein vielleicht zu schüchtern war. So erschallten die Stimmen der beiden Kinder jetzt um die Wette durch Villa Daheim, wo sie gingen und standen, übten sie ihr Verschen.
Endlich war der große Tag herangenaht. Die Sonne schien, und es war kein Wölkchen am Himmel, der in seiner tiefen Bläue mit dem Meere wetteiferte.
Die Clarsenschen Kinder waren heute in ihrer begreiflichen Aufregung kaum zu bändigen. Besonders der Peter trieb nichts als Unfug. Hier zerknitterte er der Gretli durch heimliche Kniffe das schön geplättete Kleid, dort zwickte er Vroni.
Sich selbst aber setzte er auf eine frisch angestrichene Gartenbank, daß die Rückseite seines Leinenanzuges ganz grün wurde.
»Jung, wo sühst du aus!« rief oll Modder Antje, die gerade durch den Garten daherkam.
»Paß Achtung, dein Achterseit (Rückseite) ist jo grün, du mußt dir umziehn, min Jünging.«
»Ach was, die Königin sieht mich ja bloß von vorn«, so was genierte Peter nicht.
Er trug nur Sorge, daß Tante Lenchen oder eine der anderen Damen ebenfalls bloß seine Vorderseite zu sehen bekamen. Dies hinderte ihn aber nicht, plötzlich ins Haus zu stürzen mit dem lauten Ruf: »Sie kommen - sie kommen!« Natürlich brachte er alles in wilden Aufruhr, und als man Hals über Kopf zur Gartenpforte stürzte, war natürlich noch keine Spur von der Königin zu sehen. So ein Schlingel!
Nun aber war es endlich soweit, das zeigten die Böllerschüsse vom Landungssteg heran. Dort hatten unter dem Triumphbogen aus Tannengrün, mit Fahnen und dem rotweißen Banner Dänemarks in der Mitte, die Frauen und Mädchen der Insel im
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