Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
sehr schön gemacht - ich danke dir für dein Willkommen, mein Kind.« Die Königin reichte Nesthäkchen die Hand. Nur schade, daß die weißen Handschuhe Ihre Majestät dabei mit dem Staub und Ruß des Segelmastes Bekanntschaft machen mußten, denn Annemaries Hände sahen lustig aus. Die Königin aber schritt unter den lauten Hurrarufen der übrigen Kinder dem Kurhaus zu.
Was nützten alle Vorwürfe und nachträglichen Ermahnungen jetzt noch? Frau Clarsen, Tante Lenchen und Mutti, die natürlich von der merkwürdigen Begrüßung ihres Töchterchens erfuhr, ließen es daran nicht fehlen. Leider aber muß ich berichten, daß Annemarie sich diese gar nicht sehr zu Herzen nahm. Die Königin war ja so freundlich zu ihr gewesen!
Oll Modder Antje und Nesthäkchen, das waren heute die beiden Stolzesten aus ganz Wittdün.
Böse Freundschaft
Die großen Sommerferien waren zu Ende - Wittdün leerte sich. Nur vereinzelt blieben noch Kurgäste zurück, die wußten, daß die klaren Herbsttage mit ihrem wunderbaren Farbenspiel die schönsten am Meer sind.
Auch Frau Braun war abgereist. Die Scheidestunde, vor der sie sich die ganzen Wochen ihres Wittdüner Aufenthaltes gefürchtet hatte, ging besser vorüber, als sie gedacht hatte. Annemarie hatte ihren Vorsatz, nach Berlin mit zurückzukehren, vergessen. Es war ja so schön im Wittdüner Kinderheim! Und Nesthäkchen war vernünftig genug, einzusehen, daß der Vater und die Brüder nun auch die Mutter wieder daheim haben wollten. Nach Vater hatte sie ja dolle Sehnsucht, aber statt der Brüder hatte sie so lustige Gesellschaft hier, daß sie die kaum entbehrte. Besonders Klaus wurde aufs beste von dem ungezogenen Peter vertreten.
Die sanfte Gerda bildete zum Glück das Gegengewicht. Solange Annemarie mit Gerda zusammensaß, war sie das bravste Kind, das man sich denken konnte. Aber immer war Annemarie nicht zum Puppenspiel, zum Gärtchenbauen und Muschelverkauf aufgelegt. Ab und zu wollte auch der Wildfang in ihr sein Recht haben, besonders mit den wiederkehrenden Kräften. Dann kam ihr der Peter stets sehr gelegen.
Selbst in den Unterrichtsstunden, an denen jetzt auch Annemarie teilnahm, machte sich Peters böser Einfluß bemerkbar. Annemarie Braun war stets in Berlin eine gute Schülerin gewesen. Auch in Wittdün war sie bald eine der besten. Klassen gab es dort nicht, dazu waren es zu wenig Kinder. Mädchen und Jungen wurden in Rechnen, Religion und Geographie zusammen unterrichtet. Diese Lehrstunden gab Herr Jessen, der Lehrer der dortigen Schule. Das war ein freundlicher, kurzsichtiger Herr, der so begeistert von seinem Lehrstoff war, daß er in seiner Kurzsichtigkeit nicht immer bemerkte, wenn einzelne Schüler inzwischen Dummheiten trieben. Dies machte sich der Peter natürlich zunutze. Und leider verführte er auch Annemarie öfters dazu.
Es war in der Geographiestunde. Der Zeigestock des Herrn Jessen reiste auf der Landkarte von Afrika umher, während die Gedanken einiger seiner Schüler andere Wege einschlugen. Peter, der seinen Platz hinter Annemarie hatte, zupfte sie an einem ihrer Rattenschwänzchen.
»Du, laß das, sonst sag' ich's Herrn Jessen«, das Läuten an ihren Zöpfen war der Kleinen nun mal ein Dorn im Auge. Darum tat es der Peter auch stets.
»Petze!« sagte der Junge und weiter nichts. Aber nach einem Weilchen begann er doch wieder: »Du, Annemarie, ich weiß was.«
Annemarie war von Natur aus ziemlich neugierig. Daher interessierte sie sich mehr für die Mitteilung des Jungen als für Herrn Jessens Kongostaat.
»Was denn - was ist es denn?«
»Sag' ich nicht - höchstens, wenn du mir deine Burg am Strand überläßt.«
Nun gehörte die Burg eigentlich nicht Annemarie allein. Sie hatte sie in vielen mühseligen Tagen mit Gerda und Ellen zusammen gebaut. Jeder hatte seinen Sitz darin, sogar die Puppen. Gärtchen mit Lauben aus geflochtenen Stranddisteln waren dort angelegt. Das Schönste daran aber war der hohe Muschelturm. Er hatte eine Fahne, die im Winde wehte.
Annemarie zauderte. Aber die Neugier siegte. »Meinetwegen«, flüsterte sie.
Wenn Ellen und Gerda die Burg nicht hergaben, konnte sie ja nichts dafür.
»Also oll Vadder Hinrich fährt heut auf Seehundsjagd.« Der Junge machte eine großartige Pause.
»Weiter nichts?« Annemaries Gesicht war höchst enttäuscht. Na, dafür bekam er ganz gewiß nicht ihre Burg
»Es kommt doch erst, du Affenschwanz.« Mit Kosenamen war Peter freigebig.
»Wir wollen ihn bitten, daß er uns auf
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