Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg
brennenden Wangen und leu ch tenden Augen, jede s ein s der Blä tt er zur Großmama hinau f sch wenkend, so kehrten die beiden Au s reißer sch ließli ch wieder zurü ck .
Großmama wußte ni ch t, so ll te si e sch elten oder si ch über die Siege s na ch ri ch t freuen. S ch ließli ch tat si e a ll e s beide s .
An dem Di cksch ädel von Klau s pra ll ten Vorhaltungen mei st ab, Ne st häk ch en aber st and ganz be st ürzt da.
Nun hatte die liebe Großmama schon wieder Grund, ärgerlich zu sein. Und sie hatte sich doch erst vor kurzem so fest vorgenommen, Großmuttchen nicht wieder zu beunruhigen. Ja, Annemaries schlechtes Gedächtnis, das machte ihr öfters einen Strich durch die Rechnung. Nur an dem lag es, wenn Nesthäkchen öfters mal Schelte erhielt. Denn ihre Vornahmen waren wirklich immer die besten. Auch im Kinderheim war es ihr oft so ergangen.
Beide Arme schlang Annemarie um Großmamas Hals.
»Nicht böse sein, liebstes, bestes Großmuttchen. Ganz Deutschland freut sich doch heute über den ersten Sieg! Da darfst du nicht schelten. Und es war doch auch fürs Vaterland, daß ich die Extrablätter verteilen half«, so bettelte die kleine Schmeichelkatze. Konnte die alte Dame da noch länger zürnen? Man brauchte nicht mal eine Großmama zu sein, um Nesthäkchens bittenden Blauaugen nicht widerstehen zu können.
»Ich alte Frau bin viel zu schwach für euch wilde Gesellschaft«, meinte sie schließlich. »Es bedarf jüngerer Kräfte, um euch Banditen im Zaum zu halten. Ich möchte am Ende an euer früheres Fräulein schreiben, ob es nicht wieder zu euch kommen will - denn wer weiß, wann Muttchen heimkehren wird!« Das letzte wurde von einem schweren Seufzer begleitet.
»Au ja, mein geliebtes, goldenes Fräulein!« Annemaries Augen glänzten. Ihr Fräulein hatte das kleine Mädchen die vielen Jahre, wo es im Hause bei Doktor Braun war, geradezu vergöttert. Tränen waren geflossen, als Fräulein zu ihrer Mutter heimging, da Annemarie auf ein Jahr an die Nordsee kam. Und nun sollte sie wieder zurückkehren - die Aussicht war zu herrlich!
Klau s konnte seine Freude mehr beherr sch en. Ihm er sch ien e s weniger verlo ck end, no ch einen mehr zum Aufpa ss en im Hause zu haben. Fräulein würde ihn si ch er in seiner Freiheit be sch ränken, si e ha tt e den Stri ck immer ziemli ch kurz gehalten.
»Ich finde dich noch gar nicht so alt, Großmama«, meinte er deshalb voll Ritterlichkeit. »Unser Direktor im Gymnasium ist bestimmt noch älter als du, der hat nicht nur weiße Haare, sondern sogar schon einen weißen Bart. Und der wird doch mit all den vielen Jungs, die noch viel ungezogener sind als ich, fertig.« Viel ungezogener als er konnten seine Schulkameraden nun schwerlich sein, denn er leistete darin durchaus Anerkennenswertes.
Großmama sch ien au ch ni ch t re ch t überzeugt.
»Und denn überhaupt - Mu tt i wird do ch be st immt bald na ch Hause kommen. Wa s so ll si e denn bloß bei den o ll en Engländern, die si ch so gemein gegen un s benommen haben, so lange!« bot der Tertianer weiter seine Überredung s kun st auf.
»Da i st Mu tt i sch on - be st immt, da s i st si e!« wie st et s , wenn e s klingelte, st ürzte Ne st häk ch en au ch je tz t beim An sch lagen der Glo ck e erwartung s vo ll zur Tür hinau s .
Aber enttäu sch t kehrte die Kleine zurü ck .
Wieder umson st - wieder ni ch t die sehnli chst erwartete Mu tt er! Nur Bruder Han s war e s , der erhi tz t vom Bahnhof s dien st heimkehrte.
Heute sch ien der Obersekundaner gar ni ch t ange st rengt, tro tz dem er seit dem frühen Morgen am S ch le sisch en Bahnhof Körbe mit Ta ss en, Kannen mit Ka ff ee und große Pla tt en belegter Brote an die dur ch fahrenden Truppenzüge ha tt e heran sch leppen helfen.
»Famoser Sieg - ja, wenn wir Deut sch en er st mal lo s hauen - Tag, Großmama - na, Klein ch en, wie geht ' s ?« Der Gruß mußte heute hinter der Siege s freude hinterherhinken.
»Bi st du sehr müde, mein Jung ch en?« Die gute Großmama ma ch te dem Enkel bereit s ein Gla s Limonade zur Erfri sch ung zure ch t.
»Nee, gar nicht - fein war's heute! Du, Klaus, da hättest du dabei sein müssen! Denk' mal, wir Pfadfinder bringen nachmittags Stullen an einen Zug, der aus lauter offenen, mit Girlanden geschmückten Viehwagen besteht. Und weil die Feldgrauen sich manchmal genieren, ordentlich zuzugreifen, reden wir ihnen tüchtig zu. Und besonders einer, der wollte durchaus nichts mehr nehmen und versicherte mir
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