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Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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weniger rot, in Empfang nahm.
    »Nein – nein – sag' was anderes, das ist doch gar nichts Richtiges«, wehrte sie sich energisch. Aber alles Sträuben half dem Geburtstagskind nichts. Ausgelassen blieb die Freundin bei ihrem Richterspruch.
    »Bis zum ersten Schultag ist ja noch lang hin«, tröstete sich Annemarie und ließ sich ihre Geburtstagslaune dadurch nicht verderben. Aber es war doch gut, daß sie Vera nicht eingeladen hatte.
    Leider mußten die Freundinnen schon um sieben Uhr aufbrechen. In der Kriegszeit fanden die Kinderbesuche ohne Abendbrot statt, da jede Familie nur gerade für sich genügend Brot hatte. Und bei Brauns war es diese Woche besonders knapp. Denn Klaus hatte, als er ein Brot holen sollte, es für notwendiger erachtet, auf der Straße an einem Jungenkriegsspiel, Deutsche gegen Engländer teilzunehmen. Nur seiner Feindschaft gegen England war es zuzuschreiben, daß die beiden Brotkarten sich nachher nirgends finden lassen wollten. Und daß er mit blauen Flecken, aber ohne Brot, heimkehren mußte. Zur Strafe sollte er die Woche über abends keine Stullen erhalten. Doch Großmama und Fräulein drückten ein Auge zu, wenn Hans oder Annemarie dem ewig Hungrigen von ihren Schnitten heimlich zuschoben. Denn unglücklicherweise herrschte in dieser Woche auch gerade große Kartoffelknappheit in Berlin.
    Mit vielen Dankworten und Küssen verabschiedeten sich die Freundinnen. Klaus begleitete Kurt nach Hause.
    Da klingelte es.
    Hatte eins der Mädel am Ende etwas vergessen? Annemarie stürzte zur Tür.
    Nein, es war keine der Freundinnen. In dem schon dämmrigen Treppenflur stand ein fremder, bärtiger Offizier. Gewiß ein Patient, der sich verspätet hatte.
    Annemarie knickste höflich. »Mein Vater ist im Felde, aber wenn Sie zu seinem Vertreter gehen wollen - - -«
    Wildes Freudengeheul von Puck unterbrach Nesthäkchens wohlgesetzte Rede. Und jetzt ein Lachen, das ihr alles Blut zum Herzen trieb. Sie sah schärfer hin ... und »Vater – Vatichen – mein liebes Vatchen!« Da hing die Annemarie an dem Halse des ‚Patienten‘ und streichelte und küßte unter Freudentränen sein durch den Bart verändertes, braungebranntes Gesicht.
    »Ist meine Lotte wirklich dümmer als der Puck, kennt ihren eigenen Vater nicht mehr!« Doktor Braun ließ sein Töchterchen nicht aus dem Arm. Auch während die anderen alle sich freudig um ihn drängten, gab er seine Lotte nicht frei. Es war ja sein Kleinstes, sein Nesthäkchen – wenn es ihm auch jetzt schon bis zur Schulter reichte, wenn es auch heute bereits zwölf Jahre alt wurde.
    Und Annemarie selbst, das große Mädel, saß auf Vaters Knie, wie es früher das kleine Nesthäkchen getan. Sie erdrückte ihn fast mit ihren stürmischen Liebkosungen. All die Sehnsucht, die Annemarie während der langen Kriegsmonate nach den fernen Eltern empfunden, löste sich in unaussprechlicher Zärtlichkeit gegen den auf Urlaub heimgekehrten Vater.
    Wohl fehlte eine, aber der heutige Brief der Mutter ließ die Lücke weniger schmerzlich empfinden, goß dankbares Sich-ins-Unabänderliche-Fügen in die Seelen der ihrigen.
    Was wurde das noch für ein schöner Geburtstag! Nesthäkchen war nicht ins Bett zu bringen. Fast bis Mitternacht saß sie auf Vaters Knie, während Klaus und Hans dem von dem gewaltigen Ringen in der Champagne Berichtenden die Worte förmlich von den Lippen lasen.
    »So wenig wie es ihnen trotz der gewaltigen Vorbereitungen gelungen ist, diesmal unsere Reihen zu durchbrechen, wird es ihnen auch fernerhin glücken. Wir halten durch, draußen wie drinnen!«, schloß der Vater mit erhebendem Ernst.
    »Ach, Vater, wenn ich doch helfen dürfte, laß mich doch mit hinaus! Zwei Jungen aus meiner Klasse sind schon seit Oktober dabei. Und aus der Oberprima ist sogar schon einer gefallen!« Hans hatte heiße Backen und blitzende Augen.
    »Nein, mein Sohn, nicht mal das letztere kann mich umstimmen. Du bist mir noch nicht kräftig genug. Soll mein Junge etwa vor dem Feinde schlapp werden? Das wäre doch eine Schande, was? Frag' in einem Jahr wieder nach – Gott gebe, daß wir dann längst siegreichen Frieden haben – und bis dahin tu' deine Pflicht daheim, wie du sie bisher geleistet.«
    Schweren Herzens mußte sich Hans fügen – Großmama atmete auf.
    »Schläft meine Lotte?« Vater hob den blonden Kopf seiner Jüngsten zu sich empor. Nein, mit großen Augen lauschte sie und genoß ganz still dabei das Glück, ihre Wange wieder an Vaters Brust schmiegen zu

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