Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg

Titel: Nesthäkchen 04 - Nesthäkchen und der Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
Großmama mit matter Stimme, trotzdem sie selbst des Zuspruchs bedurfte. »Es muß sich ja herausstellen, daß es ein grundloser Verdacht ist, dann wird sie wieder frei gelassen. Weine doch bloß nicht so, mein Kleines«, dabei rollten Großmama selbst die Tränen aus den alten Augen.
    Aber Annemarie hörte nicht auf zu schluchzen.
    Ihre über alles geliebte Mutti im Gefängnis - als Spionin ... ein Gedanke durchzuckte plötzlich Annemarie. Wie ... war sie etwa selbst schuld daran, wollte der liebe Gott sie dafür strafen, daß sie Vera als Spionin verdächtigt hatte ... Wollte er ihr zeigen, wie weh solcher Verdacht tat ... Immer heißer flossen Nesthäkchen Tränen.
    Als Klaus nach Hause kam und nichtsahnend durch die Wohnung schmetterte: »Karlchen, wo steckst du?«, da war es Annemarie zumute, als seien Wochen vergangen, seit sie als ‚Karlchen‘ so lustig den Wollwagen gezogen hatte, und nicht wenige Stunden.
    »Au weh - so doll hat es was abgesetzt?«, fragte der Bruder, mit drollig hochgezogenen Augenbrauen auf das verweinte Schwesterchen blickend.
    »Nee - Mutti - meine Mutti - - -« mehr brachte die arme Kleine nicht heraus.
    Wieder mußte Großmama sich die Worte von den Lippen ringen.
    Klaus schrie und weinte nicht, wie es Annemarie getan. Er ballte die Hände zu Fäusten, als wolle er gegen eine unsichtbaren Feind los, und »Gott strafe England!«, das war das einzige, was er vorläufig in ohnmächtiger Empörung wild herausstieß.
    Dann saßen die beiden Geschwister, die noch vor kurzem so ausgelassen gewesen, ganz zerschmettert und studierten gemeinsam den Brief der Mutter.
    Nur wenige Zeilen waren es:
    »Meine Geliebten alle daheim! Ich muß Euch heute Schmerz zufügen, und das tut mir noch weher, als es Euch tun wird. Ich befinde mich nicht mehr bei den Verwandten. Meiner Begeisterung über die Erfolge unserer Unterseeboote habe ich unvorsichtigerweise gegen Kusine Annchen allzu laut Ausdruck gegeben. Diese Äußerung ist von anderen gehört und wohl entstellt zur Anzeige gebracht worden. Die Folge davon war meine Festnahme als mutmaßliche Spionin. Es geht mir hier verhältnismäßig nicht schlecht. Ich hoffe zu Gott, daß meine Unschuld sich in allernächster Zeit herausstellen muß und ich wieder frei gelassen werde.«
    »Wenn sie die Mutti man bloß nicht als Spionin erschießen«, unterbrach hier Klaus, Entsetzen in den sonst so übermütigen braunen Augen, das gemeinsame Lesen.
    »Klaus - - -«, gellend schrie es Nesthäkchen. Dann verhüllte eine mitleidige Ohnmacht dem armen Kind die furchtbaren Gedanken.
    Als Annemarie wieder zu sich kam, lag sie in ihrem Bett. Zur Seite desselben saß die liebe Großmama mit sorgenvollem Gesicht. Fräulein ging ab und zu und legte kalte Umschläge auf die Stirn des kleinen Mädchens.
    »Großmama, ich habe so furchtbar geträumt, oder - - - ist es wahr, Großmama ... sag doch, bitte, bitte, sag' doch, daß es nicht wahr ist - - -« angstvoll klammerte sich Annemarie an Großmamas Hand.
    »Es ist leider die Wahrheit, meine Liebling. Aber was Klaus gesagt hat, das ist dummes Zeug. Auf einen bloßen Verdacht hin wird keiner abgeurteilt. Onkel John wird schon dafür sorgen, daß sie Mutti bald wieder freilassen.«
    »Ja, meinst du wirklich, Großmuttchen?«, wie erlöst schloß Nesthäkchen wieder die Augen. Tiefe Abspannnung folgte auf die furchtbare Aufregung.
    Ganz so zuversichtlich, wie Großmamas Worte zur Beruhigung des Kindes geklungen, empfand die alte Dame in ihrem Herzen nicht. Das englische Volk war erbittert über erhebliche Schiffsverluste durch die Unterseeboote, über den nächtlichen, bombengefährlichen Besuch der Flieger und Zeppeline. In den großen Städten war es zu Ausschreitungen der Bevölkerung gegen deutsche Firmen und Familien gekommen. Konnte Feindseligkeit und Gehässigkeit nicht auch harmlose Äußerungen ihrer Tochter so entstellen, daß eine genügende Belastung vorlag...
    »Lieber Gott, da oben, erbarme du dich!«, aus angstvollem Mutterherzen stieg in tiefer Seelennot ein heißes Flehen zu dem empor, der die Geschicke der Völker und Menschen lenkt.

Nesthäkchen macht ihr Unrecht gut
     
    Goldener Frühling war in das Land gezogen. Neue Hoffnungsfreude goß er in die Herzen der Menschen und ganz besonders in die der Jugend. Alles erneute sich draußen in der Natur, sproßte und blühte – wo bleiben da schwere oder gar traurige Gedanken? Die blies der Lenzwind übermütig davon.
    Auch Klaus und Annemarie fühlten die Macht

Weitere Kostenlose Bücher