Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
Vom Netzwerk:
scharfen Ostwind weniger ausgesetzt waren. Ab und zu tauchte dort drüben eine weiße Schwesternhaube am Fenster auf. Dann klopfte Annemaries Herz schneller. Wie mochte es Margot gehen?
    Zu gern hätte Annemarie persönlich nachgeschaut, wie es der armen Margot ging. Aber die Eltern hauen jegliche Verbindung mit Thielens der Ansteckungsgefahr wegen streng verboten.
    Doch die Grippe kümmerte sich weniger als Nesthäkchen um das Verbot der Eltern. Durch die Hintertür wagte sie sich in die Braunsche Küche hinein. Minna, das Stubenmädchen, war die erste, die von ihren Fängen ergriffen wurde. Hanne pflegte sie getreulich und warf sich in die Brust: »Na, mir soll die Jrippe man drei Schritt von'n Leibe bleiben. Mit mich wird sie so leicht nich fertig.«
    Es schien wirklich, als ob die Grippe vor der resoluten Hanne Respekt hätte. Sie machte einen großen Bogen um die energische Küchenfee herum und erwischte dafür Frau Braun.
    Jedes Kind empfindet ein Unbehagen, wenn die Mutter, die für alle da ist, für alle sorgt, das Bett hüten muß. Annemarie hatte dieses Unbehagen in gesteigertem Maße. Denn sie durfte nicht zur Mutter hinein, sie pflegen und ihr Gesellschaft leisten, wie ihr Herz sie trieb. Ja, man schickte sie sogar aus dem Haus. Mutti selbst hatte es so angeordnet. Denn bei jungen Menschen trat die Grippe gefährlicher auf als bei älteren. Frau Braun hatte nicht eher Ruhe, bis ihr Nesthäkchen mit einem kleinen Handkoffer zur Großmama übergesiedelt war.
    Für Annemarie bedeutete es von klein auf einen Festtag, wenn sie bei der Großmama sein konnte. Da war es so friedlich, so hell und sauber zwischen den alten Mahagonimöbeln, den blühenden Tulpen und Hyazinthen an allen Fenstern und den schneeweißen Tüllgardinen. Und Großmama selbst war so freundlich und voll Verständnis für alle kindlichen Wünsche. Diesmal jedoch fühlte sich Annemarie in den gemütlichen Räumen nicht so wohl wie sonst.
    Die gute Großmama kochte ihr all ihre Leibgerichte. Sie ließ die Stricknadeln leiser klappern, nur um die lernende Enkelin nicht bei der Arbeit zu stören. Denn Großmama konnte auch nur ein Zimmer heizen. Und auch das nur noch für wenige Tage.
    Annemarie hatte weder Lust zur Arbeit noch zur Unterhaltung. Das war nun eine ganz besondere Merkwürdigkeit bei der lebhaften Enkelin, deren munteres Wesen sonst Großmama eine Erquickung war.
    »Kind, bist du auch gesund ... ist dir auch nichts? Kein Gliederbrechen, kein Frösteln?« forschte die alte Dame mit der ängstlichen Besorgnis der Großmutter so und so oft am Tage.
    Dann lachte Annemarie wohl ihr altes, frisches Lachen. Aber nicht lange, so war sie wieder still und in sich gekehrt. Wenn sie nur bei Mutti hätte sein dürfen! Frau Braun war zart und anfällig, seitdem sie während des ersten Kriegsjahres in England interniert gewesen war. Nicht ohne Grund sorgte sich das junge Mädchen, daß der schwächliche Gesundheitszustand der Mutter die Grippe nicht überstehen würde. Jeden Morgen schlich sie sich nach Haus über den Hof zur Küche hinein.
    »Hanne, wie geht's Mutti?« Wie bang die blauen Augen dreinsahen.
    »Jut, janz jut, Kind ... ich koch ihr eben ein Taubensüppchen. Aber mach, daß du wechkommst, Kind, wenn dich unser Herr Doktor hier erwischt, setzt es ein Donnerwetter.«
    Bums ... schlug die Tür zu und sperrte Annemarie mit all ihrem Bangen und den tausend Fragen, die ihr nach der Mutter noch auf der Seele brannten, einfach aus. Da stand sie vor der verschlossenen Tür, ungefähr mit denselben Empfindungen wie Puck an der Krankenstube, in die er nicht durfte.
    Bei Thielens drüben war die Gefahr vorübergegangen. Das war wenigstens ein Lichtblick. Margot war fieberfrei, mußte aber noch lange das Bett hüten, da die Lunge etwas angegriffen war. Annemarie schrieb ihr zärtliche Briefe.
    »Morgen müssen wir im Bett bleiben, Annemiechen«, eröffnete Großmama eines Tages der verwunderten Enkelin.
    »Nanu ... hat sich die verflixte Grippe etwa hier bei dir auch angesagt?«
    »Behüte ... aber wir haben heute die letzten Kohlen in den Ofen gelegt. Von Tag zu Tag hat mich der Kohlenlieferant vertröstet, aber er bekommt keine Ware herein. Frieren kann ich nicht, dazu bin ich schon zu alt; folglich bleiben wir im Bett.« Es war Großmama vollständig ernst mit ihrer Absicht.
    »Aber ich doch nicht etwa auch, Großmuttchen? Ich lege einfach meine Eskimouniform an. Ich bin Grönlandtemperatur schon gewöhnt«, erhob Annemarie lebhaft

Weitere Kostenlose Bücher