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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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tanzen wie ihr Hänschen.
    Aber Hans verstand noch mehr. Die Tanzstunde war zu Ende. Der Klavierspieler packte schwitzend und erleichtert seine Noten zusammen. Im Saal drängten sich die Backfischchen um Fräulein Steinen: »Ach bitte, bitte ... dürfen wir nicht noch ein bißchen weitertanzen?«
    Die nette junge Dame gab lächelnd ihre Zustimmung.
    »Wenn sich jemand zur Klavierbegleitung findet.«
    Ja, da lag der Hase im Pfeffer. Weder die Mädel noch die jungen Herren mochten die Hauskapelle übernehmen. Jeder wollte tanzen.
    »Hänschen muß spielen. Hänschen spielt fein!« Annemarie eilte auf den Bruder los und hinter ihr her der ganze Schwarm Tanzlustiger.
    »Hänschen muß spielen ... ach, bitte, bitte!« riefen sie alle ausgelassen. Den Bitten so vieler schöner Augen konnte Hans nicht widerstehen. Man schleppte ihn im Triumph zum Klavier.
    »Wir wollen Körbchen tanzen«, wurde vorgeschlagen.
    »Was ist das denn?«
    »Werdet ihr schon sehen ... wo kriegen wir bloß Körbe her?« Mehrere Mädel eilten in die Garderobe ... doch vergeblich. Ein Korb konnte dort nicht aufgetrieben werden.
    Annemarie und Vera waren auf die gute Idee verfallen, unten in der Restaurationsküche nachzufragen. Die eine kam mit einem Riesenmarktkorb, die andere sogar mit einem Waschkorb zurück.
    »Aber Kinder, soll man damit etwa tanzen?«
    »Es muß ein zierliches Körbchen sein«, erklärte ein junges Mädchen.
    »Haben wir nicht, folglich tanzt mit dem Marktkorb!«
    Eine der Damen wurde auf einen Stuhl gesetzt und der Marktkorb ihr graziös in die Hand gegeben. Zwei Herren traten vor sie hin und machten eine Verbeugung. Der eine bekam den Korb, mit dem anderen tanzte sie lachend davon. Der Herr aber, der den Korb hatte, mußte nun auf dem Stuhl Platz nehmen und zwei Damen knicksten vor ihm. Jetzt konnte er seinen Korb austeilen und mit der Glücklichsten davonschweben. So ging es Schlag auf Schlag, und in Anbetracht der Größe des Körbchens wurde das Tanzspiel besonders lustig.
    Es wurde spät. Da ließ der Wirt plötzlich das elektrische Licht ausschalten; denn er hatte seinen Saal nur auf zwei Stunden vermietet. Das gab nun erst einen Tumult und einen Jubel!
    Vera fand ihre Tante nicht, Marianne purzelte in den Waschkorb, und Annemarie tanzte selbst in der Finsternis noch den Tanz zu Ende. Hatte eine Mutter glücklich ihr Küken ergattert, war es im nächsten Augenblick wieder übermütig im Dunkeln entwischt.
    Schließlich aber hatte man doch alle in der Garderobe zusammen. »Kinder, habt ihr schon eure französische Ausarbeitung über Jerusalem fertig?« erkundigte sich Marlene, den rosa Seidenschal um das dunkle Haar schlingend.
    »Quatsch ... dazu ist morgen noch Zeit« ... »Heute denken wir nicht an die dumme Schule« Annemarie aber lachte: »Jawohl, sur les murs de Jerusalem nous dansons Tango et Foxtrott.«
    Großmama zärtlich untergeärmelt, tanzte Nesthäkchen im Walzerschritt die Straßen entlang nach Haus. Die alte Dame mußte mit. Der Unband war nicht zu regieren. Noch im Nachthemd tanzte Annemarie ins Bett hinein ... und dort ging's weiter zum Federball.

Kohlennot
     
    Kalt war's ... bitterkalt. Der Nordost pfiff und heulte im Ofen. Dort konnte er sich austoben, soviel er Lust hatte, denn in vielen Berliner Ofen brannte kein Feuer. Die Kohlennot war groß in der Millionenstadt.
    In Nesthäkchens gemütlichem Mädchenstübchen blühten jetzt Eisblumen an den Fenstern statt bunter Winden und Astern. Und gemütlich war es dort auch nicht mehr. Hundekalt war es in Annemaries Reich. »Grönland« hatte Annemarie es getauft. Denn die wenigen Kohlen, die man bekam, mußten zur Heizung des Sprechzimmers und des gemeinsamen Wohnzimmers verwendet werden.
    Zwischen der weißen Blumenkrippe und dem Bett mit der rosenroten Steppdecke marschierte ein Eskimo mit rosenroter Nasenspitze hin und her. Er trug einen Pelzmantel der Mutter und Pelzüberschuhe an den Füßen, als ob statt des Teppichs meterhoher Schnee dort läge. Eine dicke grünwollene Rodelmütze war tief über die Ohren gezogen und verdeckte alle widerspenstigen Blondhaare. Der grüne Wollschal, der mehrfach um den Hals geschlungen war und bis an die Nasenspitze reichte, ließ in sekundenlangen Zwischenräumen Atemwolken hervorquellen. Denn es war so kalt in dem Zimmer, daß man seinen Hauch sah. Die Hände des Eskimos steckten in riesengroßen Fausthandschuhen, die zur Wintersportausrüstung des ältesten Bruders gehörten. Sie hielten den Tacitus wie zwei

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