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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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braver Kerl, das nimmt er übel, wenn man ihn rausschmeißt. Und er hat das Biedermeierzimmer so gern. Er hat entschieden Schönheitssinn«, verteidigte Ursel ihren Liebling.
    »Ich finde es notwendiger, daß du dich um das kümmerst, was ich gern oder nicht gern habe, Ursel«, sagte Frau Annemarie mit leisem Vorwurf.
    »Puh - Mutti, mach kein Gouvernantengesicht. Das steht dir nicht.« Aber da die Miene der Mutter sich nicht aufheiterte, wie das sonst öfters der Fall war, wenn Ursel ihren Spaß mit ihr trieb, setzte sie hinzu: »Schieß los, Muzi. Ich hab' nicht viel Zeit. Du hast mich zur feierlichen Audienz befohlen.« Für gewöhnlich hatte Ursel durch ihre drollige Art die Lacher auf ihrer Seite. Heute versagte ihr Erfolg bei der Mutter.
    »Du wirst für das, was ich mit dir besprechen will, Zeit haben, Ursel. Wo willst du denn überhaupt hin?«
    »Überall und nirgends. Zuerst mal zu Ruth oder zu Edith. Zu irgendeiner gleichgestimmten Seele, die wie ich ihre langersehnte Freiheit heute genießen will.« »Ja, aber höre mal, liebes Kind, soweit geht diese Freiheit doch nicht, daß du ohne Erlaubnis fortgehst«, wandte die Mutter ein.
    Ursel warf den Kopf mit dem prachtvollen Goldhaar ungezogen zurück. »Jetzt bin ich aus der Schule und erwachsen, folglich kann ich auch tun und lassen, was ich will«, gab sie keck zur Antwort. Aber da die Mutter sie nur, ohne sich zu äußern, stumm anschaute, setzte sie noch einmal, nicht mehr ganz so selbstbewußt »na ja!« hinzu. »Wenn du dich auf einen solchen unreifen und unverständigen Standpunkt stellst, haben wir beide uns nichts mehr zu sagen.« Frau Annemarie war selbst erstaunt über die Ruhe, mit der sie Ursel begegnete. Früher wäre ihr das niemals möglich gewesen. Rudis Gleichmäßigkeit hatte sicher schon abgefärbt. Sie griff nach den Handtüchern und begann den Faden wieder durch das dünn gewordene Gewebe zu ziehen.
    Ursel sah unschlüssig auf die Mutter. Hätte sie sie zurechtgewiesen, wie sie es verdient hatte - Ursel war klug genug, um das selbst einzusehen -, dann wäre sicher ihr Trotz geweckt worden. So aber tat ihr die ungezogene Antwort leid.
    »Du kannst mir ja erst noch sagen, was du von mir willst. Soviel Zeit habe ich schon noch«, lenkte sie ein.
    »Ich habe jetzt die Lust dazu verloren. Geh nur, du bist ja von heute an selbständig.« Die Mutter blickte nicht auf.
    »Also denn meinetwegen. Du willst es ja selbst.« Da meldete er sich wieder, der Trotzkopf. Ursel pfiff Cäsar und verließ das Zimmer. Ein paar Minuten später sah Annemarie sie von ihrem Erkerplatz aus den Kiesweg zum Gartenausgang entlanggehen.
    »Balg!« sagte Frau Annemarie aus innerstem Herzen heraus. Mit dem Mädel würde man noch einen schweren Stand haben. Man hatte ihm eben zuviel Willen gelassen, es allzusehr verzogen. Das war wohl meist das Los der Nesthäkchen.
    Dabei war Ursel ein so gutes Kind. Annemarie lächelte über sich. Da nahm sie doch die Krabbe, die das wahrlich nicht verdient hatte, vor sich selbst schon wieder in Schutz. Nanu, kam da nicht Cäsar zurück? Dann war die Ursel auch nicht weit davon. Denn die beiden waren unzertrennlich.
    Da tauchte auch bereits Ursel auf, schneeüberpudert. Als sie dem Auge der Mutter begegnete, zog sie ihre Ledermütze und grüßte damit schneidig zum Fenster hinauf. Als ob nichts vorgefallen sei, betrat sie gleich darauf das Biedermeierzimmer, Cäsar wohlweislich diesmal draußen lassend.
    »Morjen. Da bin ich wieder. Das Wetter war zuwenig einladend zum Spazierengehen. Und die Halbfünf-Bahn nach Berlin bereits heidi. Und außerdem - außerdem macht es mir auch kein Vergnügen, wenn ich mit dir böse bin.«
    »Ich glaube, die Sache ist wohl umgekehrt«, unterbrach sie die Mutter. »Das ist ja Jacke wie Hose - gehupft wie gesprungen - kommt alles auf eins heraus. Also, liebste Muzi, sei nicht länger verknurrt. Ich finde das höchst ungemütlich. Erzähle mir lieber, was du eigentlich von mir wolltest.«
    »Aha, also die Neugier hat dir keine Ruhe gelassen. Ich glaubte schon, es täte dir leid, daß du dich heute am Tage deines Schulabgangs sowenig erwachsen gezeigt hast.« »Tut es mir auch. Das heißt nur insofern, als ich meine kleine Muzi dadurch geärgert habe. Nun wollen wir aber das Kriegsbeil endgültig vergraben. Ja, Muzichen? Soll ich Vaters Zigaretten holen, daß wir eine Friedenspfeife miteinander rauchen können?« Ursel hatte es wieder mal erreicht. Die Mutter mußte lachen. Allen pädagogischen Einwänden

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