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Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Titel: Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Sie aber ordentlich über die
Stränge geschlagen, Herr Leopold, so kenn ich Sie ja gar nicht. Elf Weinbrand, das
ist nicht von schlechten Eltern. Macht 39 Euro 50 wenn’s leichtfällt. Der Rest ist
für mich? Ergebensten Dank!‹« Er nahm umständlich die nötigen Münzen und Scheine
aus seiner privaten Geldbörse und tat sie unter Verwendung von allerhand Gesten
und Gebärden in seine große Kaffeehausbrieftasche.
    »Lassen
Sie die Faxen und gehen Sie zu unseren Gästen, die sind schon ganz ungeduldig«,
herrschte ihn Frau Heller an.
    »Jawohl!«
Leopold spürte den Alkohol jetzt an allen Ecken und Enden. Mühsam war jeder Gedankengang,
eine Plage jeder Schritt. Mit all der Routine, die er besaß, erledigte er das Abkassieren,
ohne sich allzu viel anmerken zu lassen. Nur sein gequälter Gesichtsausdruck ließ
ahnen, dass er mit Schwierigkeiten kämpfte.
    Erst, als
er fertig war, fiel ihm auf, dass er Thomas Korber gar nicht mehr gesehen hatte.
»Der ist schon vor einer Weile gegangen«, klärte ihn Frau Heller auf. »Sehen Sie,
nicht einmal das haben Sie bemerkt. Er hat übrigens anschreiben lassen.«
    So war das
also. Still und heimlich verdrückt hatte sich der liebe Freund. Nur eine weitere
Aktion, die Leopold bewies, dass er nicht auf Hilfe aus dieser Richtung hoffen durfte.
Und da es vorläufig nicht sehr wahrscheinlich war, dass er seinen neuen Bekannten
Nestroy bald wiedersehen würde, war und blieb er auf sich alleine gestellt.
     
    *
     
    Auf dem Nachhauseweg versuchte Leopold,
seine Gedanken zu ordnen, aber er hatte schon Mühe genug, sein Rad geradezuhalten
und sich auf die Straße zu konzentrieren. Immerhin war in seinem Gespräch mit Biedermann
viel von Geld die Rede gewesen: Geld, das Biedermann nicht hatte, Walters hingegen
schon. Geld, das jetzt offenbar aus nicht näher bekannten Gründen in den Besitz
von Sonja Friedl gelangen sollte. Sicher ein guter Grund für einen Mord, ein sehr
guter sogar. Und Geld war eines der Dinge, auf die er besonders achten musste, das
hatte ihm Nestroy geraten. Also musste er dieser Spur folgen.
    Zwar hatte
Biedermann nicht den Eindruck auf ihn gemacht, dass er ein Mensch war, der so ohne
weiteres jemanden umbrachte, aber – und da dachte Leopold wiederum an Nestroy –
er war ein Schauspieler, wenn auch nicht berufsmäßig. Vielleicht hatte er sich heute
verstellt, den Alkohol hatte er ja mit Sicherheit besser als er selbst vertragen.
Und Sonja Friedl? Aus der konnte man gar nicht recht klug werden. Jedenfalls zählte
das Alibi der beiden für den Freitag so gut wie nichts.
    All das
waren Gedankenfetzen, in die Leopold an diesem Abend keine Ordnung mehr hineinbrachte.
Als er zu Hause ankam, verrichtete er noch die allernotwendigsten Tätigkeiten, dann
ließ er sich ins Bett fallen. Er hätte es sicher schön gefunden, wenn ihm wieder
Nestroy erschienen wäre und ein bisschen mit ihm geplaudert hätte, aber er fiel
in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

16
     
    »Die Falten der Seele sind
früher gekommen als die des Gesichts.« (Nestroy: Reserve und andere Notizen)
     
    In Leopolds Kopf summte und brummte
es. Er durfte sich jedoch vor der Chefin nichts anmerken lassen, denn sonst konnte
er sich gleich am frühen Morgen etwas anhören. Durchhalten hieß die Parole. Die
Frage, die er sich während jeder kleinen Pause stellte, war: Wie hatte er es am
Vorabend nur so übertreiben können? Ganz gegen seine gewohnte Art und gegen jede
Raison? Ein Teufel hatte ihn geritten, ein Dämon, der ihn jetzt auslachte und ihm
die Schamesröte ins Gesicht trieb. Er hatte einem Mann, den er nicht kannte, Dinge
anvertraut, die nicht einmal sein bester Freund Thomas Korber in dieser Detailliertheit
von ihm wusste. Er hatte möglicherweise eine entscheidende Episode seines Lebens
vor einem Mörder ausgebreitet. Und – er traute sich beinahe nicht, es einzugestehen
– dieser Seelenstriptease hatte ihm sogar Spaß gemacht.
    Zum ersten
Mal konnte sich Leopold vorstellen, dass es den Menschen etwas bedeutete, ihr Schicksal,
ja mehr noch, dessen absoluten Tiefpunkt, öffentlich zu machen. Es arbeitete etwas
in einem, das herausmusste. Hatte es auch in ihm gearbeitet, ein halbes Leben lang?
Offenbar ja. Aber er hatte in all dem täglichen Trott, neben den vielen Dingen,
die für den Augenblick wichtig sind, darauf vergessen.
    Er war schon
wieder mit seinen Kleinigkeiten des Lebens beschäftigt: Kaffee aus der Maschine
rinnen lassen, die Schale auf das silberne Tablett stellen, dann noch ein

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