Nette Nachbarn
gefallen, was der Anrufer wollte.«
»Verstehe. Nun, das besprechen wir
später genauer. Aber jetzt laß mich dir sagen, was ich glaube, was in deinem
Kopf vorgeht. Ich kenne dich schließlich — und du mußt zugeben, ich kenne dich
gut.«
Ich nahm meine ganze Kraft zusammen,
ahnte schon, was kommen würde — weil ich ihn nämlich auch gut kannte — und
was dem folgen mußte.
»Du glaubst«, fing er an, »daß dieser
Anruf eine Falle war. Du glaubst, jemand wollte Knox umbringen, also hat er ihn
angerufen, ihn in dieses Theater gelockt und ihn ermordet.«
»Möglich.«
»Ein schlauer Mörder. Während er ihn
ins Theater lockte, beschloß er, er könnte ihn ebensogut auf eine Planke über
der Bühne locken. Und dann ist er selbst hinterhergeklettert — das alles, bitte
schön, ohne Mr. Knox auch nur im geringsten mißtrauisch zu machen — und hat ihn
in den Tod gestoßen. Siehst du es so?«
»Greg...« Aber mit seinen Worten
ausgedrückt, wirkte es tatsächlich albern.
»Und du glaubst außerdem, daß Knox’ Tod
etwas mit dem Mord im Globe Hotel zu tun haben könnte, weil er die kleine Vang
kannte.«
Ich hatte diese Möglichkeit zwar schon
in Betracht gezogen, aber verdammt wollte ich sein, wenn ich das jetzt noch
zugeben würde.
»In einer Gegend, in der Tag für Tag
Menschen ermordet werden«, fuhr Greg fort, »willst du diese beiden Morde
miteinander in Verbindung bringen, nur weil die kleine Vang beide Opfer
kannte.«
Verdammt, warum hatte ich Greg
hier haben wollen? Hatten die Zeit und sein Benehmen am Vorabend mich vergessen
lassen, wie sarkastisch er sein konnte? Was war ich doch für ein Idiot gewesen
zu glauben, er würde mir zuhören! Noch dazu einer Idee, die nur halb entwickelt
war! Schlimmer noch, nicht einmal eine Idee, sondern mehr ein Gefühl, daß hier
nicht alles so war, wie es auf den ersten Blick zu sein schien.
Aber ich hatte schon früher mit dieser
Art von Gefühlen recht gehabt. Und Greg wußte das. Ich funkelte böse zu ihm
auf, ohne ein Wort zu sagen.
»Also schön«, seufzte er schließlich,
»bring das Mädchen ins Hotel zurück. Aber sprich mit niemandem draußen; da ist
eine ganze Menschenmenge versammelt, und ich weiß nicht, ob auch Leute von den
Medien dabei sind. Aber wenn, dann will ich nicht, daß sie schon jetzt Wind
davon kriegen, wer das Opfer ist.«
Er stritt nicht mit mir; er versuchte
nicht, meine Begründungen noch weiter anzufechten. Und das hatte etwas zu
bedeuten. Es hieß, daß er sich an die anderen Gelegenheiten erinnerte, in denen
ich recht gehabt hatte.
Ich ging zu Dolly hinüber und nahm
ihren Arm. »Komm«, sagte ich. »Ich bringe dich heim.«
Als wir ins Hotel zurückkamen, drängten
sich in der kleinen Eingangshalle die Menschen, meistens Vietnamesen.
Angesichts des feierlichen kleinen Weihnachtsbaumes hätte man es für eine
festliche Versammlung halten können — abgesehen von den besorgten Gesichtern
der Teilnehmer. Sie liefen ziellos herum, unterhielten sich in gedämpftem Ton,
und als wir eintraten, stürzte sich Lan Vang auf ihre Tochter, als wollte sie
sie vor weiterem Unheil bewahren.
Einen Augenblick lang verspürte ich
einen leisen Stich, als wollte mich etwas warnen. War hier im Hotel noch etwas
geschehen, während Dolly und ich bei der Polizei im Theater waren? Aber dann
entdeckte ich Carolyn und Mary Zemanek drüben vor der Wohnungstür der
Hausmeisterin. Keine von beiden sah besonders bestürzt aus. Also schob ich die
Aufregung der anderen auf die Sorge um Dolly.
Lan Vang ergriff meine Hand und sagte:
»Ich danke Ihnen. Vielen Dank, daß Sie sich um meine Tochter gekümmert haben.«
Ich sah zu Dolly hinüber. Sie hatte
sich auf ihre Mutter gestützt, aber jetzt richtete sie sich auf, und ich
vermutete, daß sie an die Erklärungen dachte, die sie würde abgeben müssen.
»Ich habe mich gefreut, daß ich helfen konnte, Lan. Warum bringen Sie Dolly
jetzt nicht nach oben, fort von all den Menschen? Sie hat einen schlimmen Tag
hinter sich.«
Lan nickte und zupfte ihre Tochter am
Ärmel. Dolly zögerte, folgte ihr dann aber zum Fahrstuhl, wo sie sich mit einem
flehenden Blick noch einmal umwandte. Ich schüttelte den Kopf. Das war Dollys
Problem.
Nachdem die Vangs gegangen waren,
leerte sich die Halle, und bald waren nur noch Mary Zemanek, Carolyn und ich
übrig. Carolyn kam zu mir herüber. »Würdest du mir jetzt bitte erklären, was passiert
ist? Ich bin fast verrückt geworden bei dem Versuch, es
Weitere Kostenlose Bücher