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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Dolly
beendet, als alle Lichter ausgingen.
    Wir hatten im Wohnzimmer der Vangs
gesessen, aber nur Dolly und ihre Eltern waren anwesend. Dolly hatte ihre
Geschichte in stockendem Englisch erzählt, wobei Carolyn ihr von Zeit zu Zeit
geholfen hatte, und Lan und Chinh, die sich zwar ganz offensichtlich schämten,
eine solche Angelegenheit vor Außenstehenden auszubreiten, hatten sie auf eine
Art und Weise unterstützt, die mir nur noch mehr Respekt vor ihnen abverlangte.
    Und jetzt war der Strom ausgefallen.
Lan keuchte, und dann waren alle stumm. Nach ein paar Sekunden fragte Greg:
»Was ist mit dem Strom los?«
    »Das passiert häufig«, erklärte ich.
»Das ist einer der Gründe, warum ich engagiert worden bin.«
    »Warum haben Sie nicht einfach die
Stadtwerke angerufen?« Gregs Stimme klang so gereizt, daß es mich schon
amüsierte. Er konnte zwar vertrauensvoll am Ort eines entsetzlichen Mordes
auftauchen, aber die Tatsache, daß er sich jetzt in einem Raum befand, der
plötzlich in vollkommenes Dunkel getaucht war, hatte ihm die Nerven geraubt.
    »Die Leute von den Stadtwerken sind
hiergewesen«, berichtete ich. »Sie sind zu dem Schluß gekommen, daß jemand den
Strom am Hauptschalter abstellt.«
    »Warum dreht man ihn dann nicht wieder
an? Hai«, fügte er, an Inspektor Mourant gewandt, hinzu, der kurze Zeit zuvor
im Hotel eingetroffen war. »Geh doch bitte in die Wohnung der Hausmeisterin und
bitte sie, etwas dagegen zu unternehmen, ja?«
    »Sofort, Lieutenant.« Ich konnte hören,
wie Mourant gegen einen Tisch stieß, als er sich seinen Weg zur Tür suchte.
    »Sie werden über die Treppe gehen
müssen«, bemerkte Carolyn. »Der Fahrstuhl funktioniert bei Stromausfällen
nicht.«
    Mourant murmelte etwas, das sich
anhörte wie ›toll‹, und verließ die Wohnung.
    »Nun, das ist eine merkwürdige Art, ein
Verhör zu beenden«, meinte Greg, »aber ich danke Ihnen für Ihre Kooperation,
Miss Vang. Heute mittag werde ich ein Protokoll für Sie bereithalten, das Sie
dann bitte unterschreiben müssen.« Dann fühlte ich seine Hand auf meinem Arm.
»Sharon, ich glaube, wir sollten diesen Leuten jetzt ein wenig Ruhe gönnen.«
    »Wollen wir jetzt gehen, wo wir nicht
einmal sehen können, wohin wir gehen?«
    »Ja. Gib mir deine Taschenlampe.« Der
Klang seiner Stimme machte mir deutlich, daß er keine Widerrede duldete; ich
vermutete, daß er unter Klaustrophobie litt.
    Bei dem Wort ›Taschenlampe‹ stieß Lan,
die an meiner anderen Seite saß, einen leisen Schrei aus. Sie stand auf, wühlte
in einer Schublade, und kehrte gleich darauf mit einer brennenden Kerze zurück.
Ihr flackerndes Licht enthüllte einen Kreis angespannter Gesichter — Gesichter,
die sich schnell entspannten.
    Ich reichte Greg meine Taschenlampe und
sah Carolyn an.
    »Kommst du?«
    »Nein, ich glaube, ich schlafe heute
nacht hier auf der Couch, wenn niemand etwas dagegen hat.«
    Ich versprach, mich bei ihr zu melden,
und ging dann mit Greg auf den Flur hinaus. Als wir an Sallie Hydes Tür
vorbeikamen, steckte die dicke Frau den Kopf heraus. Im Strahl der Taschenlampe
konnte ich sehen, daß ihr Haar auf rosa Lockenwickler gedreht war und daß sie
einen rosafarbenen, gesteppten Hausmantel trug. Als sie Greg und mich sah,
sagte sie nur: »Oh, Sharon, Sie sind es« und musterte ihn mit offener Neugier.
    »Wir wollten gerade gehen«, erklärte
ich. »Jemand ist nach unten gegangen, um den Schalter umzulegen, das Licht wird
in wenigen Minuten wieder angehen.«
    Sallie schüttelte den Kopf. »Erst Hoa
Dinh. Dann die arme Dolly, die dieses Schwein Knox gefunden hat. Und jetzt das
hier. Wenn man bedenkt, daß ich jedem erzählt habe, daß es nichts gibt, wovor
man Angst haben muß.« Hastig zog sie sich in ihre Wohnung zurück.
    »Wer war denn das?« wollte Greg wissen.
    »Sallie Hyde. Sie ist eine Mörderin.«
    »Was?«
    »Verurteilt, eingesperrt und auf
Bewährung freigelassen. Sie hat ein Kind getötet, auf das sie aufgepaßt hat. Es
ist schon sehr lange her, und scheinbar hat sie sich seitdem nie wieder etwas
zuschulden kommen lassen. Das ist alles, was ich weiß.«
    »Wahrscheinlich hat es nichts mit dem
zu tun, was hier vor sich geht, aber wie sagtest du doch noch, ist ihr Name?«
    »Sallie Hyde.« Das bedeutete, daß Greg
sie überprüfen lassen würde — und ich würde Informationen über sie von ihm
bekommen.
    Wir gingen die Treppe hinunter. Greg
hielt die Taschenlampe so, daß sie die Metalltritte anstrahlte. Unsere Schritte
hallten laut

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