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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ihm hinüberblickte, schaute
er mich fragend an. Schockiert erkannte ich, daß er daran dachte, mich zu
küssen.
    Als der Schock nachließ, überlegte ich
mir tatsächlich, ob ich ihn nicht ermutigen sollte. Greg war schließlich ein
attraktiver Mann, und selbst in unseren schlechtesten Zeiten war der physische
Teil unserer Beziehung nicht abgekühlt. Aber dann dachte ich an Don und stellte
mein Weinglas auf den Tisch.
    »Es ist schon schrecklich spät, und wir
müssen beide morgen früh arbeiten.«
    Greg sah mich noch einen Augenblick
länger an. Dann nickte er, trank sein Glas leer. Sein Gesicht war ausdruckslos.
»Danke für den Wein«, sagte er und stand auf. »Ruf mich irgendwann nach Mittag
an. Dann sprechen wir darüber, ob du an dem Fall dran bleibst oder nicht.«
    Ich folgte ihm zur Tür und in die kühle
Nacht hinaus. Hier, meilenweit entfernt vom Gestank des Tenderloin, hatte die
Luft etwas Frisches, das ich genießen konnte. Als ich dort auf der Veranda
stand, schaute ich zu Greg auf, und einen Moment lang fühlte ich wieder die
körperliche Anziehungskraft. Offenbar fühlte er sie auch, denn er zögerte, ehe
er die Stufen hinab und zu seinem Wagen ging. Dort angelangt, hob er eine Hand
zum Abschied.
    Ich kehrte ins Haus zurück, brachte die
Flasche und die Gläser in die Küche und löschte das Licht. Nachdem ich mich im
Dunkeln ins Schlafzimmer getastet hatte, schlüpfte ich aus meinen Kleidern und
kroch ins Bett.
    Bloß — da war bereits jemand drin. Ein
vertrauter, warmer, muskulöser Körper.
    Ich hatte seinen Wagen nicht gesehen;
wo war er? Zweifellos am anderen Ende der verstopften Straße geparkt.
    »Wird ja auch Zeit«, murmelte Don.
»Eine Weile lang dachte ich schon, wir drei würden alle zusammen im Bett
enden.«
     
     
     

SIEBZEHNTES
KAPITEL
     
    Ich war um halb neun am nächsten Morgen
im Globe Hotel. Mein Kopf schmerzte, weil ich zu wenig geschlafen hatte, und
meine Augen fühlten sich an, als wären winzige Sandkörner unter ihre Lider
geraten. Ich war jedoch entschlossen, meinen mitgenommenen Zustand zu
ignorieren und bis Mittag soviel wie möglich zu erledigen. Greg hatte gesagt,
daß wir dann darüber sprechen wollten, ob ich die Erlaubnis erhielt, mit meiner
Untersuchung fortzufahren oder nicht, aber ich vermutete, daß seine
Entscheidung negativ ausfallen würde. Dieser Vormittag war möglicherweise für
mich die letzte Gelegenheit, meinen Klienten zu helfen.
    Die Eingangshalle war verlassen, und
ein handgemaltes Schild an der Fahrstuhltür verkündete: Außer Betrieb. Vielleicht hatte der Stromausfall der letzten Nacht ihm den Gnadenstoß
versetzt, dachte ich. Mit vor Müdigkeit schmerzendem Körper stieg ich die
Treppe zum vierten Stock hinauf und klopfte an die Tür der Vangs. Lan öffnete
umgehend. Ihr Gesicht war bleich, die Augen von tiefen Schatten umgeben. Ihr
erschöpfter Ausdruck verwandelte sich in Erleichterung, als sie mich sah, und
ich erkannte, daß hier etwas nicht in Ordnung war, zusätzlich zu den
Ereignissen vom Abend zuvor.
    »Lan, was ist passiert?«
    »Bitte, kommen Sie herein.« Sie öffnete
die Tür weiter und machte mit einem Arm eine einladende Geste.
    Ich trat ins Wohnzimmer, das in dem
gedämpften Licht, das aus der Gasse hereinfiel, schäbig und schlecht möbliert
aussah. Das Zimmer war leer, aber ich konnte Stimmen und die Schreie des Babys
aus den angrenzenden Schlafzimmern hören.
    »Was ist passiert?« wiederholte ich.
    Lan blickte zu den Schlafzimmertüren
hinüber, ehe sie leise sagte: »Es ist wegen Duc. Er ist die ganze Nacht nicht
heimgekommen.«
    »Ist das schon früher passiert?«
    »Nein, niemals.«
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Ehe wir gestern ins Restaurant
gegangen sind, um vier Uhr nachmittags. Mein Mann hatte Duc gesagt, er könnte
sich den Abend freinehmen, weil er um seinen Freund trauerte. Ich dachte, er
wollte hierbleiben.«
    »Wann haben Sie gemerkt, daß er fort
war?«
    »Als das Licht wieder anging, nachdem
Sie und der Polizist gegangen waren. Bis dahin war alles so durcheinander, und
Dolly brauchte mich. Ich hatte keine Zeit, an Duc zu denken. Als ich entdeckte,
daß er nicht da war, habe ich es niemandem gesagt. Ich wollte vor allem nicht,
daß mein Mann es erfährt; er hatte einen so schweren Tag, so voll des Schmerzes
und der Schande wegen unserer Tochter. Aber ich lag wach und wartete auf Duc,
bis zum Morgengrauen.«
    »Haben Sie es heute morgen irgend
jemandem gegenüber erwähnt?«
    »Ich habe die anderen

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