Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
Vom Netzwerk:
einen wunderbaren Hinterkopf formten. Siggi nutzte die Flügeltüren mehr als jeder andere, er war auch der Einzige, der stets vergaß, sie zu schließen. Seine 32  Jahre sah man ihm auch an diesem Morgen an. 32  Jahre auf der Piste und keinen Tag gefehlt. Jeder hätte ihm auch 42 abgenommen. Die Jugendlichkeit hatte sich längst von ihm verabschiedet und einen Teint hinterlassen, der an alten Kefir erinnerte, der etwas zu lange in der Sonne gestanden hatte. Wobei niemand von uns ganz genau wusste, woher die tiefen Furchen in seinem gelblich blassen Pfannekuchengesicht kamen. Siggi sprach immer mit übertriebenem Stolz von den letzten Zeugen der Nacht, die grundsätzlich weiblich waren. Wir vermuteten, dass die letzten Zeugen allesamt trinkbar waren und nie unter 32 Prozent. Aber Siggis Pfefferminzfahne machte eine präzise Analyse unmöglich. Woher trotz unzähliger Exzesse seine Sportlichkeit kam, blieb uns allen lange Zeit ein Rätsel. Siggi fuhr jeden Tag mit dem Mountainbike von seiner Wohnung in Brömel an der Wurz bis zur Redaktion in Muenden. 20 Kilometer mit diversen Anstiegen und meist auch mit Gegenwind. Und natürlich fuhr er auch immer brav zurück. Nochmal 20 Kilometer. Bei jedem Wetter. Respekt und blanker Neid mischen sich da gerne, völlig unabhängig von der eigenen sportlichen Befindlichkeit.
    »Da bin ich aber mal gespannt, ob die Kleine mal irgendwann so richtig ...«
    Bevor Siggi seine testosterongesteuerte Aussage über die Grenzen der Geschmackssicherheit schießen konnte, fuhr ihm Ansgar, unser Mann für Kultur, in die Parade.
    »Hey, ein bisschen Respekt, ja?! Ist immerhin die Tochter Gottes.«
    »Hui! Und ich dachte immer, das wär nur der verzweifelte Versuch von oben, ’n bisschen Auflage zu machen!«
    »Günter ... –« Ich biss mir auf die Zunge.
    »Günter?« Ansgar und Siggi starrten mich an, als hätte ich soeben die Lottozahlen verraten und das Versteck von Bin Laden.
    »Ich meine Masuch.«
    »Du hast Günter gesagt!«
    Siggi hatte diesen fassungslosen Blick, den ich sonst nur von Bettina kannte, wenn ich ihr irgendwas Unfassbares sagte, was sie ganz bestimmt nicht von mir hören wollte.
    »Ich hab nicht Günter gesagt!«
    »Du hast Günter gesagt!« Ansgar und Siggi waren seit langem mal wieder einer Meinung und artikulierten sie synchron.
    »Ich hab vielleicht Günter gesagt, aber Masuch gemeint.«
    »Das hast du aber nicht gesagt«, insistierte Ansgar.
    »Was ist denn mit Herrn Masuch?« Frau Löfflers Stimme nahm, mit einer perfekt zelebrierten Lieblichkeit, die Spannung aus der Luft, während sie mir, und nur mir, einen Kaffee auf den Schreibtisch stellte.
    »Herr Masuch ist sehr angetan von
Die Messias

    »Kein Wunder! Der ... Stilterrorist hat ja auch einfach keinen Geschmack!«
    »Ich weiß nicht, so schlimm finde ich die Geschichte nicht, bis jetzt jedenfalls, man kann sich doch auch noch gar keine Meinung bilden. Sind gerade mal zwei Folgen erschienen!«
    »Jau, und eine mit ’nem ... – na super«, krähte Siggi ungefragt in die Runde.
    »Paul, du weißt genau, wie die Geschichte läuft!« Ansgar bekam wieder diesen Feuilletonistenblick, den ich noch mehr an ihm hasste als sein pseudoakademisches Desinteresse an den Smashing Pumpkins, Element of Crime und Pils vom Fass.
    »So, weiß ich das?« Ich bemühte mich um maximale Gelassenheit, zu der mein zittriges Fußzehenklappern so gar nicht passte.
    »Natürlich! Wenn nicht du, wer dann? Und jetzt kommt die Geschichte auf einmal im Präsens, sehr peinlich!«
    »Was ist denn daran peinlich?«
    »Weil das jetzt mal auf die Schnelle noch diese Frauenliteraturnummer bedienen soll. Die schreiben doch auch immer im Präsens. Ist dann wahnsinnig gegenwärtig. Hui, ganz toll. Ganz raffiniert. Ist genauso bescheuert wie diese Wackelkamera, die in den neuen Filmen immer suggerieren soll, dass man dabei ist. Ist man aber nicht!«
    »Stimmt.«
    »Präsens, albern.«
    »Du übertreibst, Ansgar.«
    »Nee, ganz bestimmt nicht, ich kenne diese Bücher, meine Frau liest die auch. Angeblich, um sich zu entspannen. Die Wahrheit ist, sie liest sie, weil sie keine Sekunde nachdenken muss und dabei ständig vorgemacht bekommt, dass die Heldinnen dieser Geschichten da draußen tatsächlich rumturnen.«
    »Ansgar? Komm mal runter.«
    »Wer da wohl hinter steckt?«
    »Wie?«
    »Na, hinter dieser Gabor, ist doch bestimmt eine von uns!«
    »Quatsch!«
    »Glaubst du, Masuch kauft eine richtige Schriftstellerin ein, für teuer Geld? Der spart

Weitere Kostenlose Bücher