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Neubeginn in Virgin River

Neubeginn in Virgin River

Titel: Neubeginn in Virgin River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robyn Carr
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sie weich. „Er ist wunderschön.“ Über die angewinkelten Knie ihrer Patientin hinweg sah sie jetzt eine junge Frau, allerhöchstens fünfundzwanzig Jahre alt, langes, dunkles, schweißnasses Haar, mit müden Augen, die aber zu glühen schienen. Und auf ihren Lippen lag ein schwaches Lächeln. Mel klemmte die Nabelschnur ab und schnitt sie durch. Sie legte das Baby in ein Handtuch und schob sich durch den engen Raum neben dem Bett bis zum Kopf der Frau. „Legen Sie Ihr Baby jetzt an die Brust an“, sagte sie leise. „Währenddessen kümmere ich mich um die Placenta.“ Die Frau streckte die Arme nach ihrem Kind aus. Mel bemerkte, dass neben ihr auf dem Bett ein großer Korb stand, bereit, das Baby zu empfangen. „Es ist nicht Ihr erstes Kind“, stellte sie fest.
    Die Frau schüttelte den Kopf, und eine dicke Träne rann ihr über die Wange, als sie ihren Sohn entgegennahm. „Das dritte“, flüsterte sie. „Die beiden anderen sind nicht bei mir.
    Mel strich ihr das feuchte Haar aus der Stirn „Haben Sie hier draußen allein gelebt?“
    „Nur den letzten Monat oder so. Ich war mit noch jemandem hier, der aber fortgegangen ist.“
    „Der Sie hier draußen im Wald hochschwanger in einem Wohnwagen zurückgelassen hat?“, fragte Mel weich und strich mit einem Finger über den perfekt geformten Kopf des Kindes. „Sie müssen ja große Ängste ausgestanden haben. Na los“, forderte sie die Frau lächelnd auf und zupfte an ihrem T-Shirt. „Geben Sie dem Kind die Brust. Dann wird sich vieles schon wieder besser anfühlen.“
    Die Frau half ihrem Kleinen, den Nippel zu finden, und das Baby fing an zu saugen.
    Mel ging wieder an ihren Platz am Bettende zurück, streifte sich neue Sterilhandschuhe über und begann, den Uterus zu massieren. Sie hörte, wie sich hinter ihr die Tür des Wohnwagens schloss, und blickte über die Schulter zurück. Auf dem kleinen Tresen in der Kombüse entdeckte sie eine Waschschüssel mit Wasser.
    Ihre Patientin war in der Lage, ihr zu sagen, wo sich Windeln für Neugeborene und auch sterile Tücher befanden. Mel entdeckte dort auch saubere Laken und Vorlagen, wusch das Baby und die Mutter und setzte sich dann, mit dem Kleinen auf dem Arm, eine ganze Weile auf den Rand des Bettes. Ein paarmal streckte ihre Patientin den Arm aus und griff nach Mels Hand, die sie dankbar drückte. Aber sie sprachen nicht. Eine Stunde nach der Geburt sah Mel in den Kühlschrank, suchte ein Glas und schenkte der Frau Saft ein. Dann trug sie ihr in einem Plastikbehälter Wasser ans Bett. Sie überprüfte die Blutung ihrer Patientin, die normal war, und holte ihr Stethoskop aus der Tasche, um zuerst das Herz des Kindes abzuhorchen, dann das der Mutter. Die Farbe des Kindes war in Ordnung, die Atmung normal, die Mutter erschöpft, und das Baby schlief zufrieden. Es war alles getan.
    „Sagen Sie mir noch eins“, fragte Mel. „Wird das Baby irgendwelche Drogenprobleme haben?“ Mit geschlossenen Augen schüttelte die Frau den Kopf. „Also gut – in Virgin River gibt es eine kleine Praxis, wo ich mit dem Dorfarzt arbeite. Er wird Sie weder zu Ihrer Person noch zu dem Baby befragen, das heißt, Sie werden nichts zu befürchten haben. Er betont immer wieder, dass er Mediziner und nicht Gesetzeshüter ist. Aber Sie und Ihr Baby müssten gründlich untersucht werden, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.“
    Mel hob ihre Jacke vom Boden auf. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“, fragte sie ihre Patientin. Die Frau schüttelte den Kopf. „Heute Nacht müssen Sie viel trinken, damit Sie genügend Milch haben.“ Dann ging sie durch den schmalen Raum zum Kopfende des Bettes und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Herzlichen Glückwunsch“, flüsterte sie und wischte ein paar Tränen von den Wangen ihrer Patientin. „Ich hoffe, dass für Sie und ihr Baby alles gut wird. Passen Sie auf sich auf und seien Sie vorsichtig.“
    „Vielen Dank“, sagte die Frau leise. „Wenn Sie nicht gekommen wären …“
    „Schschsch“, brachte Mel sie zum Schweigen. „Ich bin gekommen. Und Ihnen geht es gut.“
    Nicht zum ersten Mal stellte Mel fest, dass es keinen Unterschied machte, ob ihre Patientin eine glücklich verheiratete Sonntagsschullehrerin war, die jahrelang auf ihr erstes Baby gewartet hatte, oder eine Verbrecherin, die von der Polizei verfolgt wurde. Geburten waren große Gleichmacher. In diesem ausgelieferten Zustand waren alle Frauen einfach nur Mütter, denen sie mit Leidenschaft

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