Neubeginn in Virgin River
diente. Dem Baby sicher auf die Welt zu helfen und die Mutter die Geburt gesund und mit Würde überstehen zu lassen, das war das Einzige, worauf es ankam. Sogar dann, wenn es für sie selbst ein gewisses Risiko bedeutete, war sie verpflichtet, alles zu tun, was in ihrer Macht stand. Was mit Mutter und Kind geschah, nachdem Mel sie verlassen hatte, konnte sie nicht kontrollieren, aber wenn man sie zu einer Geburt rief, konnte sie unmöglich ablehnen.
Als sie aus dem Wohnwagen trat, wartete bereits Ihr Chauffeur am Range Rover. Er hielt ihr die Beifahrertür auf. „Ist alles in Ordnung mit ihnen?“, fragte er ängstlich.
„Mutter und Kind scheinen trotz der schwierigen Umstände alles sehr gut überstanden zu haben. Sie leben wohl nicht mit ihnen hier?“
Er schüttelte den Kopf. „Deshalb hatte ich auch nicht mitbekommen, dass sie schwanger war. Ich komme nur gelegentlich hier vorbei, und meistens hatte ich mit ihrem Mann zu tun. Er hat sie verlassen, als …“
„Als er bemerkte, dass auch Sie ein wenig mit ihr zu tun hatten?“, beendete Mel den Satz für ihn und stieg kopfschüttelnd in den Wagen. Kaum saß er neben ihr, sagte sie: „Ich verlange zwei Dinge von Ihnen, und so wie ich es sehe, schulden Sie mir das auch. Ich möchte, dass Sie heute Nacht dorthin zurückfahren und bei ihnen bleiben, damit sie die beiden ins Krankenhaus fahren können, falls irgendetwas über Nacht schieflaufen sollte. Falls etwa starke Blutungen auftreten oder das Baby irgendwelche Probleme hat. Keine Panik, es scheint alles in Ordnung zu sein. Aber wenn Sie keine unnötigen Risiken eingehen wollen, dann müssen Sie das tun. Und dann sollten Sie sie in ein paar Tagen – in etwa zwei bis vier – in die Praxis nach Virgin River zur Nachuntersuchung bringen. Dr. Mullins wird keine Fragen stellen, und alles, was mich momentan interessiert, ist, dass die beiden gesund bleiben.“ Sie sah zu ihm hinüber. „Werden Sie das tun?“
„Wird erledigt“, versprach er.
Sie lehnte den Kopf nach hinten an den Sitz und schloss erschöpft die Augen. Das heftige, schnelle Schlagen ihres Herzens rührte nun nicht mehr von Angst her, sondern lag, wie nach jedem Noteinsatz, an dem rapiden Ausstoß von Adrenalin. Dadurch fühlte sie sich ein wenig schwach, etwas schwindlig und es war ihr leicht übel. Unter anderen Umständen hätte sie sich vielleicht sogar lebendiger gefühlt als vor der Geburt. Das Geschehen hier aber war voller Komplikationen.
Als er vor ihrem Waldhaus parkte, hielt er ihr ein Bündel Geldscheine hin. „Ich will Ihr Geld nicht“, lehnte sie ab. „Es ist Drogengeld.“
„Ganz wie Sie wollen“, meinte er und steckte es in die Brusttasche seines Hemdes.
Eine Sekunde lang starrte sie ihn an. „Wenn Sie zugelassen hätten, dass sie alleine entbunden hätte, oder wenn ich nicht mit Ihnen gekommen wäre, dann wäre das Baby … Sie haben das doch mitbekommen, oder? Dass die Nabelschnur um seinen Hals lag?“
„Ja, ich verstehe. Danke.“
„Fast hätte ich es nicht getan. Wirklich, es gab keinen Grund, Ihnen zu vertrauen.“
„Ja. Sie sind ein tapferes Mädchen. Versuchen Sie, mein Gesicht zu vergessen. Zu Ihrem eigenen Nutzen.“
„Hören Sie, ich arbeite in der Medizin, ich bin kein Cop“, sagte sie mit einem leicht verärgerten Lachen. Sie war daran gewöhnt, das Los Angeles Police Department immer im Rücken zu haben, heute Nacht aber war sie ganz auf sich gestellt. Es gab keine Unterstützung. Und wenn sie nicht gewesen wäre, hätte alles an dem siebzigjährigen Doc gehangen. Wie würde es in fünf Jahren sein? „Beherrschen Sie sich in Zukunft oder verhüten Sie. Ich habe wirklich keine Lust, noch einmal mit Ihnen ins Geschäft zu kommen.“
Er grinste sie an. „Ganz schön abgebrüht, was? Aber keine Sorge. Ich habe nicht vor, noch einmal in solche Schwierigkeiten zu geraten.“
Kommentarlos kletterte sie aus dem Range Rover und ging auf die Veranda zu, während er wendete und aus der Lichtung fuhr. Sie sank auf einen Stuhl, blieb im Dunkeln sitzen und lauschte den Stimmen der Nacht – Grillen, hin und wieder eine Eule und der Wind in den hohen Kiefern.
Sie wünschte, sie könnte jetzt einfach hineingehen, sich ausziehen und zu Bett gehen, aber sie war zu aufgeregt, an Schlaf war nicht zu denken. Sie wartete noch einen Augenblick, bis der Motor seines großen Jeeps nicht mehr zu hören war, dann stieg sie die Stufen wieder hinunter, setzte sich in den Hummer und fuhr ins Dorf, wo sie hinter der
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