Neubeginn in Virgin River
sagte er.
„Jetzt kommen Sie aber mal auf den Boden“, erwiderte sie. „Das werde ich nicht tun. Beeilen Sie sich. Wenn sie schon den ganzen Tag über Wehen hatte, sollten Sie jetzt schleunigst losfahren.“
Er ließ nicht locker. „Binden Sie sie um. Machen Sie schon.“
„Damit ich nicht sehe, wohin wir fahren? Ich komme aus L. A., Mann! Ich bin erst seit drei Monaten hier, und auf diesen Bergstraßen schaffe ich es kaum bei Tageslicht in den Ort. Jetzt ist es stockdunkel. Nun fahren Sie schon – ich werde niemals in der Lage sein, irgendwem zu sagen, wohin wir gefahren sind.“ Und dann etwas leiser: „Abgesehen davon würde ich das gar nicht wollen – außer wenn ich Sie oder die Frau finden müsste, um ein Leben zu retten.“
„Ist das jetzt ein Trick?“, fragte er.
„Oh bitte. Hören Sie auf, mir Angst einzujagen. Ich könnte in Panik geraten und mich aus dem Wagen werfen. Und was hätten Sie dann davon?“
Er legte den Gang ein, fuhr den Range Rover aus der Zufahrt heraus und hielt sich dann ostwärts. „Ich hoffe nur, Sie belügen mich nicht und wollen mich reinlegen. Sobald wir das hier hinter uns gebracht haben, werden Sie mich nie wiedersehen müssen. Es sein denn …“
„Sie reinlegen?“ Sie musste lachen. „Bin ich etwa zu Ihnen nach Hause gekommen? Möchten Sie dieses Baby nicht lieber doch allein entbinden?“,
„So etwas habe ich noch nie getan“, sagte er fast feierlich. „Wenn ich gewusst hätte, dass ein Baby unterwegs ist, hätte ich sie irgendwohin gebracht. Fort aus diesem Bezirk. Aber ich erfuhr es viel zu spät. Tun Sie einfach Ihre Arbeit, ich werde Sie dafür bezahlen, und dann haben wir es geschafft. In Ordnung?“
„Geschafft?“, fragte sie. „Diese Babys, mit denen niemand rechnet? Manchmal werden sie neunzig Jahre alt! Nach Wehen und Entbindung gibt es noch einiges zu tun! Kinder müssen aufgezogen werden!“
„Ja“, stimmte er müde zu. Auf die Straße konzentriert, lenkte er den Jeep durch die scharfen Kurven und ließ den Motor aufheulen, sobald die Straße gerade wurde. Die geraden Strecken waren aber nur kurz, und immer folgte eine weitere scharfe Kurve. Die meiste Zeit stand der Geschwindigkeitsmesser bei zwanzig Meilen die Stunde. Er benutzte nicht nur die Scheinwerfer, sondern auch die Lampen auf dem Dach. Er schwieg eine ganze Weile, bevor er sagte: „Ich werde für alles, was Sie brauchen, aufkommen. Wenn das Baby da ist und sie bereit dazu ist, kann sie zu ihrer Schwester nach Nevada.“
„Wozu diese ganze Geheimnistuerei?“, fragte Mel. Sie sah ihn von der Seite an und bemerkte, dass er breit grinste. Im Profil gesehen, wies seine Nase einen leichten Höcker auf, und unter dem Schirm seiner Baseballkappe konnte sie Lach-fältchen um seine Augen erkennen. Sie stellte fest, dass er –wenn auch etwas derb – nicht unattraktiv aussah.
„Mein Gott, Sie stellen vielleicht Fragen! Machen Sie einfach mit, Mädchen.“
„Woher wussten Sie, wo ich wohne?“
Er lachte. „Sie glauben doch nicht im Ernst, sich da draußen in Ihrem Waldhaus verstecken zu können, Miss? Jeder weiß, wo die neue Hebamme wohnt.“
„Oh, prima“, sagte sie und wiederholte flüsternd: „Das ist ja wirklich prima.“
„Ist schon in Ordnung. Niemand will, dass Ihnen etwas zustößt oder so. Dadurch würden eine Menge Leute nur eine Menge Arger bekommen.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Wenn jemand wie Sie vermisst wird, wird in drei Landkreisen jeder Quadratmeter durchsucht. Und das ist schlecht fürs Geschäft.“
„Also dann“, sagte sie leise, „sollte ich mich wohl geehrt fühlen.“ Sie sah zu ihm hinüber. „Wie kommt es nur, dass mir das aber nicht so recht gelingen will?“
Er zuckte die Schultern. „Schätze, für Sie ist das alles noch ziemlich neu.“
„Ja, aber hallo!“
Eine Weile fuhren sie schweigend weiter, schlängelten sich über die Bergstraßen, hinauf und hinüber, hinunter und um den nächsten Berg herum. „Wie sind Sie eigentlich in diesen Schlamassel geraten?“, fragte sie ihn.
Er zuckte die Schultern. „Wie’s halt so geht. Wir wollen lieber nicht darüber reden.“
„Hoffentlich übersteht sie alles gut“, meinte Mel.
„Das ist genau das, woran ich denke. Mein Gott, hoffentlich geht alles gut.“
Und wieder einmal dachte Mel an all die Hilfsmittel, die in Großstadt-Kliniken zur Verfügung standen – und auch viele Helfer. Nicht zuletzt die Gesetzeshüter – wirklich praktisch. Immer waren Cops im
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