Neubeginn in Virgin River
drehte sie sich um und ging den Weg zurück, den sie gekommen war.
Mel bemerkte, dass Doc eine Grimasse zog. „Was hat das alles zu bedeuten?“, fragte sie ihn.
„Es scheint, sie wollte wissen, wie Sie aussehen. Sie hat eine Schwäche für Jack und läuft ihm hinterher wie ein liebeskrankes Hündchen.“
„Er sollte ihr keinen Alkohol verkaufen.“
„Das tut er auch nicht“, versicherte Doc. „Jack ist zwar ein großzügiger Mensch, aber er ist nicht dumm. Alkohol an Cheryl auszuschenken wäre, als würde man Kerosin in ein Feuer schütten. Abgesehen davon kann sie sich die Preise bei Jack nicht leisten. Ich vermute, sie besorgt sich denselben Fusel, den sie auch da draußen im Wald trinken.“
„Das wird sie umbringen.“
„Leider.“
„Kann ihr denn niemand helfen?“
„Hatten Sie etwa den Eindruck, dass sie Hilfe sucht?“
„Hat es denn einmal jemand versucht? Hat Jack …“
„Jack kann überhaupt nichts für sie tun“, unterbrach Doc sie. „Das würde sie nur auf eine Menge sinnloser Gedanken bringen.“
Er drehte sich um und ging ins Haus zurück.
Mel folgte ihm. „Halten Sie es für möglich, dass sie eine Geburt hatte?“
„Möglich ist alles, aber ich möchte es bezweifeln.“
„Und wenn wir sie untersuchen würden? Man könnte es erkennen.“
Doc sah auf sie hinab und hob eine seiner schneeweißen Brauen. „Meinen Sie etwa, ich sollte den Sheriff anrufen? Mir eine richterliche Anordnung besorgen?“ Und er ging in die Küche.
Mel blieb zurück und dachte: Was für ein seltsames kleines Dorf.
Während das Baby schlief, machte Mel eine Pause und ging hinüber zum Laden. Connie steckte den Kopf aus dem Hinterzimmer und sagte: „Hey, Mel, was brauchen Sie?“
„Ich dachte, ich könnte mir einmal Ihre Zeitschriften ansehen, Connie. Ich langweile mich.“
„Nur zu. Wir sehen gerade unsere Seifenoper. Wenn Sie möchten, können Sie sich gerne hier hinten zu uns setzen.“
„Danke“, sagte Mel und ging zu dem winzigen Büchergestell hinüber, in dem ein paar Taschenbücher steckten und fünf Zeitschriften: ein Magazin über Waffen, eins über Trucks, eins übers Angeln, eins über die Jagd und dann noch der Playboy. Sie schnappte sich einen Roman und den Playboy und ging nach hinten, wo sie Connie gesehen hatte.
Im Türbogen zum Hinterzimmer hing ein geteilter Vorhang. Connie und Joy saßen mit Kaffeetassen in der Hand auf alten Gartenklappstühlen an einem Schreibtisch und starrten gebannt auf einen kleinen Fernseher, der in einem Regal stand. Äußerlich waren die beiden Frauen absolute Gegensätze: Connie klein und nett zurechtgemacht, das kurze Haar feuerrot gefärbt. Joy dagegen mindestens eins fünfundsiebzig groß und an die hundertzehn Kilo schwer; schlichte Kleidung; das lange graue Haar zum Pferdeschwanz zusammengebunden; rundes, heiteres Gesicht. Sie waren ein seltsames Gespann, und es hieß, dass sie bereits seit ihrer Kindheit die besten Freundinnen waren. „Kommen Sie rein“, sagte Joy, „und nehmen Sie sich einen Kaffee, wenn Sie möchten.“
Auf dem Bildschirm war gerade eine sehr hübsche Frau zu sehen, die tief in die Augen eines sehr attraktiven Mannes blickte und ihm sagte: „Brent, außer dir habe ich noch niemanden geliebt! Noch nie!“
„Oh, sie ist solch eine Lügnerin!“, rief Connie.
„Nein, ist sie nicht. Sie hat noch nie jemanden geliebt. Sie hat nur mit allen geschlafen“, meinte Joy Und auf dem Bildschirm: „Belinda, das Bab…“
„Brent, das Baby ist von dir!“
„Das Baby ist von Donovan“, erklärte Joy dem Fernseher.
Mel lehnte mit der Hüfte am Schreibtisch. „Was ist das?“
„Riverside Falls“, sagte Connie. „Brent und diese Schlampe Belinda.“
„Es ist genau das, was Lizzie machen wird, wenn es Connie nicht gelingt, sie aus diesen nuttigen Klamotten rauszu-holen.“
„Ich habe da einen Plan“, erklärte Connie. „Sobald ihr die Sachen zu klein sind, werde ich ihr neue kaufen und dann werden wir ihr eine etwas konservativere Garderobe zusammenstellen.“
Joy musste laut lachen. „Connie, wie es aussieht, ist sie doch schon längst aus ihren Sachen herausgewachsen!“
Szenenwechsel. Auf dem Bildschirm war das Paar jetzt im Bett zu sehen, ihre nackten Körper kaum durch ein Laken verhüllt. „Mann“, sagte Mel. „Die Seifenopern haben sich aber ganz schön entwickelt.“
„Sehen Sie sich manchmal Seifenopern an, Liebes?“, fragte Connie.
„Seit dem College nicht mehr. Damals haben wir General
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