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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Klientin.
    Ich fühlte mich von der zeitlichen Begrenzung so bedrängt, dass ich glaubte, die Uhren ticken zu hören, die uns dem schrecklichen Moment näher brachten, wo wir unser Haus räumen mussten. Folglich hatte ich nicht die Ruhe, mir die Wohnungen richtig anzusehen. Ich rannte von einem Zimmer ins nächste und wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen, damit ich zur nächsten Wohnungen hetzen konnte.
    Eigentlich wollten wir von einer Wohnungsbesichtigung zur nächsten mit dem Taxi fahren, aber wenn sich nicht innerhalb von drei Sekunden ein freies Taxi zeigte, zwang ich Anton, zu Fuß zu gehen, und zwar sehr schnell. Die Angst verzehrte mich und setzte so viel Energie frei, dass ich nicht stillhalten konnte. Wir klapperten eine Wohnung nach der anderen ab, aber sobald wir in eine neue Wohnung kamen, hatte ich die davor völlig vergessen. Ich nahm alle Eindrücke so schnell auf, dass ich sie nicht zu speichern vermochte.
    Nach drei Tagen mit Besichtigungen mussten wir eine Entscheidung treffen, und ich entschied mich für die letzte Wohnung, die wir uns angesehen hatten, weil das die einzige war, an die ich mich erinnern konnte. Sie war in Camden, nicht weit von unserem Haus, eine austauschbare Aneinanderreihung weißer, kastenförmiger Räume. Wir unterschrieben einen Vertrag für drei Monate. Wir mussten bar bezahlen, weil wir es so eilig hatten, einzuziehen. Außerdem hätte die Bank uns sowieso keine Empfehlung ausgestellt.
    Und dann hockten wir auf staubigen Böden und packten eine unendliche Anzahl von Kisten. Es war wie der Albtraum, den ich im Mai gehabt hatte, als wir uns mit dem Hauskauf herumgeplagt hatten.
    Der letzte Morgen war da, der Umzugswagen fuhr vor, eine Mannschaft von jungen Neuseeländern in roten Shorts begann, die Kisten einzuladen. Ich lehnte mich an eine Wand und versuchte zu begreifen, was da geschah. Passierte das wirklich? Das Ganze? Besonders die roten Shorts?
    Dann war das Haus leer, und es gab keinen Grund zu bleiben.
    »Komm schon, Lily«, sagte Anton sanft.
    »Ich komme.«
    Aber aus meinem Traumhaus fortgehen zu müssen, warf mich um. Als ich einen Augenblick zu lange verharrte, bis ich die Haustür hinter mir abschloss, spürte ich, wie sich etwas in mir unwiderruflich veränderte. Nicht nur nahm ich Abschied von meinen eigenen vier Wänden (oder dreieinhalb – die Handwerker hatten das eine Schlafzimmer immer noch nicht fertig, aber was machte das jetzt noch?), sondern auch Abschied von einem Leben, das Anton und ich nie würden leben können.
     
    Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich in der neuen Wohnung vielleicht gar nicht erst ausgepackt. Ich hätte meine Bettdecke und mein Kissen auf dem Boden ausgebreitet und mich in einem Wald von Pappkartons eingerichtet. Aber weil Ema da war, mussten einige Sachen gleich wieder funktionsbereit sein. Wir mussten ihr Bettchen aufgestellen und die Küchensachen auspacken. Und natürlich bestand sie darauf, dass der Fernseher in Betrieb genommen wurde. Und das Sofa brauchte einen Platz, damit sie bequem gucken konnte. Um acht Uhr abends waren die wesentlichen Dinge ausgepackt, und Anton hatte sogar das Abendessen gekocht. Aber der Übergang war zu schnell für mich. Das war jetzt unser Zuhause, diese kahle, kleine Schachtelwohnung, angefüllt mit unseren Habseligkeiten, und wir hier drin, wir spielten Familie. Aber wie? Verständnislos sah ich Anton an und fragte: »Wie konnte alles so schrecklich schief gehen?«
    Ich starrte die glatten weißen Wände an und fühlte mich wie in einem Würfel. Es war mir verhasst. Anton packte mich am Handgelenk und versuchte meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Wenigstens sind wir zusammen.«
    Mein Blick war immer noch auf die Wand gerichtet. »Was?«
    Er sah mich verzweifelt an. »Wenigstens sind wir zusammen.«

Gemma
    Weihnachten nur mit mir und Mam war entsetzlich. Ich überstand es lediglich, weil ich anderthalb Liter Baileys trank. Es wäre ohnehin ziemlich trostlos geworden, aber als ich Mam ein paar Tage davor sagte, dass ich mit Owen Ende Januar ein paar Tage verreisen würde, wurde sie vor Schock kreidebleich. Sie versuchte ihre Panik zu verbergen, sie sagte sogar: »Du könntest weiß Gott eine Verschnaufpause brauchen«, aber ihr Bemühen, tapfer zu sein, machte mir erst recht Schuldgefühle.
    Den ganzen Weihnachtstag wiederholte sie, wie eine Schallplatte mit Sprung: »Unser letztes Weihnachten in diesem Haus.«
    Das letzte Weihnachten? Es könnte der letzte Monat

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