Neue Schuhe zum Dessert
Rechten, konnte Dad wieder den Platz im Leben einnehmen, den sie für ihn warm gehalten hatte. Es machte mich rasend, es war unfassbar.
»Woher willst du wissen, dass er nicht nach einem Monat das Gleiche wieder macht?«
»Das macht er nicht. Was immer es war, er ist darüber hinweg.«
»Aber er sieht seine Colette jeden Tag in der Arbeit.«
»Von wegen.« Wie sie das sagte, wurde ich hellhörig – sie klang irgendwie triumphierend. »Er geht frühzeitig in Rente. Glaubst du wirklich, ich würde ihn in das Büro gehen lassen, wo er sie jeden Tag sieht? Das könnte ihm so passen. Ich habe gesagt, entweder er wirft sie raus, oder er geht selbst. Mir wäre ja lieber, sie würde ihre Stelle verlieren, aber so ist es mir auch recht.«
Plötzlich hatte ich eine großartige Idee. »Komm«, sagte ich zu ihr, »wir fahren in die Firma und lachen ihr ins Gesicht.«
Ein Leuchten trat für einen Moment in Mams Augen, dann sagte sie: »Fahr du. Ich mache deinem Vater gerade das Essen.« Dann sagte sie noch, eher halbherzig: »Ihr müssen wir auch verzeihen.«
Pah! Das ist doch übertrieben, dieses ganze Verzeihen. Niemals würde ich Colette verzeihen, und das machte mir nichts aus. Ein bisschen Hass hat noch nie jemandem geschadet. Zum Beispiel hasste ich Lily seit Jahren , und es war mir nicht schlecht bekommen.
Wo wir vom Hassen sprechen – ich musste Dad was erzählen.
»Ich habe ein Buch geschrieben, das demnächst erscheint.«
Er zeigte sich erfreut – wahrscheinlich auch deswegen, weil ich ihn zur Kenntnis nahm –, und als ich ihm das Leseexemplar zeigte, erklärte er: »Das ist ein wunderbarer Umschlag. Sieht aus, als hätte sie sich ausgeschlossen, oder?« Er strich mit dem Finger über meinen Namen. »Jetzt guck dir das an: Gemma Hogan, mein kleines Mädel. Jagd auf Regenbogen , das ist doch ein schöner Titel. Wovon handelt es denn?«
»Davon, dass du Mam verlassen und dich mit einer Frau zusammengetan hast, die vier Jahre älter ist als ich.«
Er war zutiefst schockiert und starrte Mam mit offenem Mund an, um zu sehen, ob ich meine Scherze mit ihm trieb.
»Kein Scherz«, sagte ich.
»Das stimmt.« Mam sah ihn beklommen an.
»Jesus, Maria und Joseph«, rief er voller Panik. »Ich muss das sofort lesen.« Sechs Seiten später sah er mit fahlem Gesicht auf.
»Wir müssen das unverzüglich stoppen. Unverzüglich. Das darf nicht erscheinen.«
»Zu spät, Dad. Ich habe einen Vertrag.«
»Dann nehmen wir uns einen Anwalt.«
»Und ich habe den Vorschuss schon halb ausgegeben.«
»Dann gebe ich dir das Geld.«
»Ich will dein Geld nicht. Ich will, dass mein Buch erscheint.«
»Aber sieh es dir doch an.« Er schlug mit der flachen Hand auf die Seiten. »Das sind doch lauter persönliche Sachen. Das ginge ja noch, aber das meiste ist nicht einmal wahr! Wenn das erscheint, ist das für mich äußerst peinlich.«
»Gut«, sagte ich und sah ihn mit hartem Blick an. »Man nennt das, die Folgen seines Handelns tragen.«
»Gemma!« Mam rief mich in die Küche. »Er hat gesagt, es tut ihm Leid«, sagte sie. »Und er meint es ehrlich. Er hatte eine Krise, und in gewisser Weise konnte er nicht anders. Du bist sehr unnachgiebig, überhaupt, du kannst sehr unnachgiebig anderen gegenüber sein. Weißt du was? Ich glaube, das ist deine aufgestaute Wut.«
»Was weißt du denn über aufgestaute Wut?«
»Ich gucke Doctor Phil .«
»Ach so. Jedenfalls, ich staue meine Wut nicht auf, ich finde es nur richtig, wenn Menschen für ihre Missetaten bestraft werden.«
»Dann eben Rachegelüste.«
»Ja!«, stimmte ich ihr zu. »Ich bin Wächterin der Gefühle. Ich bin Gemma die … was denn? Zerstörerin? Nein, leider nicht. Strafende? Gemma die Strafende? Klingt auch nicht so gut. Rächerin! Ich bin Gemma die Rächerin.«
Ich rannte in der Küche herum, formte mit den Fingern eine Pistole und summte die Avenger -Titelmusik.
»Komm dir bloß nicht toll vor«, sagte Mam. »So toll ist das nämlich nicht.«
»Und außerdem ist das nicht die Avenger -Musik«, rief Dad aus dem Wohnzimmer. »Das ist die von Die Profis .«
Ich stellte mich in die Tür, hielt eine nicht vorhandene Handtasche in die Höhe und höhnte: »Huhuuu! Haltet den Dieb!«
Noch am gleichen Abend packte ich alle meine Sachen und zog offiziell wieder in meine Wohnung. Ich fragte mich, ob ich mich zu sehr bei Mam eingewöhnt hatte oder ob sich meine neue Freiheit so anfühlen würde wie nach einer Prüfung, wenn man immer noch Gewissensbisse
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